„Briefe in Kisten als Ware von New York“

Eine Würdigung Friedrich Lists aus Anlaß seines 150. Todestages unter dem Aspekt der Postentwicklung

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 1996/2

Autoren: Ralf Haase, Manfred Hausschild

Seiten: 101-112

Wenn sich am 30. November dieses Jahres der Todestag des Demokraten, Nationalökonomen, Verkehrspioniers und Visionärs der europäischen Einheit, Friedrich List, zum 150. Male jährt, dann leben wir bei einer Würdigung seiner Leistungen mit einem enormen Orientierungsdefizit der heutigen Generation.

Zu schnell wird Einmaliges zur Legende, verfliegen kühne Projekte im Alltag der Zeit. Und so nimmt es kaum wunder, daß das schicksalhafte Leben dieses Mannes und sein Wirken für den Fortschritt heute nahezu in Vergessenheit geraten ist. Deshalb steht der Historiker vor der Herausforderung, an die Tür der Vergangenheit zu klopfen und von den Heutigen Tribut für die Leistungen unserer Altvorderen einzufordern.

Friedrich Lists Lebensjahre lagen in einem Zeitraum europäischer Geschichte, der von den Eckdaten der klassischen bürgerlichen Revolution in Frankreich und der bürgerlichen Revolution in Frankreich und der bürgerlichen demokratischen Revolution in Deutschland nahezu zeitgleich begrenzt wurde. Damit war List Zeitgenosse jener gesellschaftlichen Umwälzungen, die zur Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise in der Mehrzahl europäischer Staaten führte. List war kein Zuschauer dieser gesellschaftlichen Veränderungen, sondern er drückte ihnen mit seinem aktiven Tätigsein einen sehr persönlichen Stempel auf. Gleich ob es um demokratischen Gesellschaftsstrukturen, um die Herstellung der deutschen Zolleinheit oder die Etablierung der dampfgetriebenen Eisenbahn als modernes Massenverkehrsmittel ging, List war ihr Fürsprecher und unerschrockener Potentat.

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