100 Jahre Weltpostverein

Ausgabe

DAS ARCHIV 01/1975

Autor: Marc Moser (Zürich)

Seiten: 21-78

XI. Vorbemerkung

Noch einmal sei wiederholt, daß das Ziel eines Zusammenschlusses aller oder doch vieler Postverwaltungen lange vor seiner Verwirklichung von Idealisten aufgestellt und vertreten wurde. Man sprach „vom Interesse der Menschheit“, von Kunst und Wissenschaft, die kosmopolitische Geltung beanspruchen, und verstieg sich zur Behauptung, „wo die Post fehlt, ist die Kultur in chaotisches Dunkel gehüllt“. Solche Forderungen wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts vom sächsischen Handelsrat Paul Jakob Marperger (1656-1730) und 1811 von Staatsrat Johann Ludwig Klüber (1762-1817) ausgesprochen. Dies waren fromme Wünsche, die keinen Anklang fanden, wo doch z.B. in Deutschland allein 30 Postverwaltungen auf möglichst hohe Einnahmen sannen und von ihrer Daseinsberechtigung überzeugt waren.

Erst die politisch-praktischen Vorschläge nach 1840, wie wir sie bei Rowland Hill, Johann von Herrfeldt besprochen haben, erzwangen ein Umdenken: der Postverkehr soll zum sozialen Dienst werden; als Steuerquelle ist er ungeeignet. Als private Mithelferin zur Gewinnung der öffentlichen Meinung verdient die „International and Colonial Postage Association“, 1851 in London gegründet, Erwähnung und Anerkennung; ihr Einfluß war wohl mit im Spiel, daß bis 1857 für den britischen Kolonialverkehr mitsamt dem der Vereinigten Staaten von Amerika ein 6-Pence-Einheits-Briefporto erreicht wurde. Weitere Bemühungen, 1853 einen internationalen statistischen Kongreß, 1855 die Pariser Weltausstellung mit einem internationalen Postkongreß abschließen zu lassen, versandeten durch den vorzeitigen Tod des Hauptinitianten Sir Manuel de Ysasi Lacoste (1810-1855), des spanischen Honorarkonsuls in London, der einem Schiffbruch zum Opfer fiel. Von Postkongreß in Dresden 1847 und dem deutsch-österreichischen Postverein von 1850 war schon die Rede, nicht aber von einer Schrift des dänischen Postsekretärs Joseph Michaelsen (1826 bis 1908), in der er 1859 erneut die zivilisatorische, menschliche Aufgabe der Post der üblichen Verkehrsbesteuerung gegenüberstellt.

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