Carl Spitzweg und die Post

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 1985/2

Autor: Hans-Joachim Ziemke

Seiten: 41-47

Am 23. September sind es hundert Jahre her, daß in München der Maler Carl Spitzweg im Alter von 77 Jahren starb. Wenn er auch zuletzt sehr zurückgezogen gelebt hatte, so war er doch bekannt und beliebt; in einem Nachruf heißt es: „Er hat zwei Kunststücke fertig gebracht, die Niemand sonst leicht gelingen: berühmt zu werden, ohne Neid zu erregen, und mit 77 Jahren naiv und originell in Allem und Jedem zu bleiben, ohne es jemals sein zu wollen.“ Spitzweg ist auch heute noch unter den unzähligen Malern, die im 19. Jahrhundert in den vielen Städten Deutschlands Bilder mit sehr unterschiedlichen Themen und in sehr verschiedenen Auffassungen malten, einer der bekanntesten und beliebtesten. Selbst für Leute, die sich sonst nichts aus Bildern und Malerei machen, gehören einige Hauptwerke Spitzwegs zum eisernen Bestand des Bekannten – jüngst erklärte eine angehende Studentin Spitzweg ihrer Freundin wie folgt: „Spitzweg, weißt du, das ist der, der den Typ im Bett gemalt hat.“ – damit war der arme Poet in der Dachkammer gemeint. Es muß in den Bildern Spitzwegs etwas enthalten sein, das anspricht und das sie im Gedächtnis bleiben läßt.

Eine Folge dieser Beliebtheit ist aber auch, daß der Maler und sein Werk eben nur zu Teilen bekannt sind, daß sich Mißverständnisse vieler Art eingeschlichen haben, die in der gängigen Vorstellung doch ein etwas einseitiges Bild ergeben.

So ist der Maler zwar durch seine zahlreichen Schilderungen eigenartiger, zumeist etwas kauziger Zeitgenossen und ihrer Erlebnisse zu Recht berühmt geworden, aber sein malerisches Werk ist doch viel umfangreicher. Es umfaßt unter anderem auch – um nur diesen einen Bereich zu nennen – vorzügliche Landschaftsbilder, dem Charakter der Spitzwegschen Malerei entsprechend keine großen Kompositionen, sondern kleine Bilder, zumeist Ausschnitte, mit sehr verschiedenen Stimmungen.

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