Christian Friedrich Henrici

Bachs Dichter ein Postbeamter?

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 2000/2

Autor: Bernd Haube

Seiten: 115-122

Vor 300 Jahren wurde Christian Friedrich Henrici, der sich als Literat des Pseudonyms „Picander“ bedient hatte, als Post- und Steuerbeamter jedoch bei „Henrici“ geblieben war, geboren. Beamter war er geworden, um sein Brot zu verdienen, zum Literaten hatte er sich berufen gefühlt, gelebt aber hat er in einer Zeit, in der „der künstlerische Wert der deutschen Dichtung auf dem tiefsten Punkte angelangt war“. Ungnade der Geburt per excellence? Er verfasste zahlreiche frivole Gelegenheitsgedichte, „nicht weil er sie liebte, sondern weil sie beliebt waren“, gehörte, wenn auch widerwillig, zur Zunft der „Gratulanten“, war Zeitungsschreiber, Textdichter und Dramatiker. Dem „humorlosen“ Gottsched zum Feinde, dem „ernsthaften“ Bach zum Freunde, war er bei Kurfürsten und Grafen, aber auch bei den Leipzigern, die noch heute eine Straße nach dem „Dichter vieler Texte zu Bachs Kantaten“ benennen, beliebt.

Von seinen Konkurrenten als „Elster, die ihren heisischen Hals auf jeden Strauche zwinget und mit der wilden Gans nur um die Wette singet“, als „Quodlibethecker und Recitativenschreiber“ beschimpft, von einer strengen literaturhistorischen Nachwelt meist bis ins Uferlose verrissen, lobten ihn Zeitgenossen als „sinnreichen und trefflichen Poeten“, ließen den „lustigen Postcommissarius in Leipzig“ aber auch die Stelle eines Pferdes vertreten (Steinauer) oder den „beliebten Picander“ als Strauß erscheinen (Schönaich). Karl Friedrich Zelter, der in Briefen an Goethe „Picanders Kirchentexte infam“ gefunden hatte und der Überzeugung gewesen war, „wenn ein Heutiger ein Picander’sches Gedicht in Musik setzen sollte, er müßte sich kreuzigen und segnen“, betraute im Jahre 1829 Felix Medelsohn Bartholdy mit der Wiederaufführung der Bach/Picander’schen Matthäus-Passion. Und Hayn und Gotendorf nahmen viele der Picander’schen Werke in ihr bibliographisches Standardwerk „Bibliotheca Germanorum Erotica & Coriosa“ auf. Obwohl er einmal wissen ließ, „das allermeiste, was ich geschrieben, ist vielmehr ein Spaaß als ein saurer Ernst“ gewesen, wissen wir von Briefen an die sächsischen Kurfürsten, mit denen es ihm sehr wohl bitter erst gewesen war. Doch verfolgen wir seinen ungewöhnlichen Lebensweg von Anfang an.

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