Der Leipziger Privilegienstreit

Die erste Tageszeitung der Welt

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 2000/1

Autor: Bernd Haube

Seiten: 101-107

Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehörte die Messe- und Handelsstadt Leipzig zu den bedeutendsten Druckorten Europas. Im Klima von Veränderungen der politischen und religiös-kirchlichen Verhältnisse nach dem Tode des sächsischen Herzogs Georg und einer ersten großen wirtschaftlichen Blütenzeit, war es der Stadt an der Pleiße in den folgenden Jahrzehnten gelungen, die Spitzenposition im Buchdruckgewerbe vor Frankfurt am Main zu erlangen und auszubauen. Erst der Dreißigjährige Krieg, in dessen Verlauf Leipzig mehrfach beschossen, belagert und eingenommen wurde, setzte diesem Prozess ein vorläufiges Ende. Während aber die Nachrichten über Siege und Niederlagen der Kriegsvölker die Runde machten, wurde, wie der englische Geschichtsschreiber Thomas Macaulay bemerkte, „ein großes Experiment gemacht, war eine große Umwälzung im Fortgange: Zeitungen waren erschienen!“ In Leipzig, wo alle Mittel und Möglichkeiten zur Herstellung und Verbreitung von Zeitungen vorhanden waren, trat Anfang der vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts der Drucker und Buchhändler Timotheus Ritzsch in Erscheinung und wurde in jahrelangen Auseinandersetzungen mit seinen Konkurrenten zur überragenden Persönlichkeit der frühen Leipziger Zeitungsgeschichte. Seine erst in unseren Tagen entdeckten „Einkommenden Zeitungen“ vom Jahre 1650 gelten als die weltweit erste Tageszeitung.

Timotheus Ritzsch (1618-1678), mit einer guten Schulbildung ausgestattet, in der väterlichen Druckerei ausgebildet und mit fremden Sprachen vertraut, ebenso fleißig und klug wie energisch und willensstark, ein Mann der durchsetzen konnte, was er sich vorgenommen hatte, gründete im Jahre 1638 eine Druckerei. Bald hatte der geschäftstüchtige Leipziger Drucker erkannt, wie lohnend die Herausgabe von Zeitungen und im wahrsten Sinne des Wortes Goldwert ein dazu gehörendes Zeitungsprivileg sein können. Schon während der zweiten schwedischen Besetzung (1642-1650) durfte er die einzige in Leipzig zugelassene, von dem schwedischen Postverwalter Daniel Dickpaul herausgegebene „Wöchentliche Zeitung“ (1643-1650) drucken und mit einem kurfürstlich-sächsischen Zeitungsprivileg vom 31. August 1649 in der Tasche, brachte er, wahrscheinlich zuerst am 1. Juli 1650, ein eigenes Blatt heraus.

(…)