Die Belagerungspost von Bitsch im Krieg 1870/1871

Ausgabe

DAS ARCHIV 2/1979

Autor: Ernst M. Cohn

Seiten: 117 – 127

Die Leser des Archivs für Deutsche Postgeschichte werden sicherlich fragen, warum ausgerechnet die Postversorgung einer belagerten französischen Festung und dazu noch einer so kleinen wie Butsch in Lothringen hier abgehandelt wird. Die Gründe sind leicht erklärt. Einmal ist das ursprünglich Bytis, später Castrum Bites, heute nach deutscher Schreibweise Bitsch, nach französischer Bitche genannte Örtchen, dessen Festung 50 Meter über die Wohnhäuser hinausragt, dreimal vergeblich von deutschen Truppen belagert worden, 1793, 1814 und 1870. Da während der Kriegsereignisse jedesmal  deutsche Kriegsgefangene in der Festung interniert waren, ergaben sich durch die Kriegsgefangenenpost automatisch auch Beziehungen zur deutschen Post, wie der abgebildete Kriegsgefangenenbrief von 1809 beweist, der von Leipzig nach dem „Fort de Bitche“ gerichtet war und den roten Stempel „HAUTE SAXE“ der Thurn und Taxisschen Postverwaltung trägt mit dem Übergangsstempel „ALLEMAGNE PAR MAYENCE“. Hinzukommt, daß gerade bei der letzten Belagerung in den Jahren 1870/1871 nicht nur Kriegsgefangenenpost , sondern auch Post für die Zivilbevölkerung und für die französische Besatzung der Festung ausgetauscht wurde. Der Austausch von Briefen und Zeitungen – die Bitscher hatten bei der deutschen Post die Brüsseler Zeitung „Indépendance Belge“ und das Schweizer „Journal de Genève“ abbnoniert – erfolgte teils offiziell über die bayrisch-pfälzischen Belagerungstruppen, teils inoffiziell durch Duldung einer französischen Schmuggelpost durch deutsches Gebiet. Von besonderem Reiz ist dabei die Tatsache, daß es möglich war, den Brief eines Bitschers an seine Eltern aus dem freien Frankreich über Berlin nach Bitsch zu befördern, wobei der bekannte deutsche Dichter Theodor Fontane, der als Kriegsberichterstatter in französische Kriegsgefangenschaft geraten war, die Vermittlerrolle spielte.

Ablauf der militärischen Ereignisse

Im Kriege von 1870 wurde der Kriegszustand in der – als „fester Platz dritter Klasse“ – eingestuften Festung Bitsch am 27. Juli bekannt gemacht, gerade acht Tage nach offizieller Kriegserklärung von Frankreich an Preußen. Ab 8. August erklärte der Festungskommandant den Belagerungszustand, nachdem am gleichen Tage die ersten Granaten einschlugen. Die etwa dreistündige Beschießung richtete wenig Schaden an.

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