Die Deutsche Post in Oberschlesien 1919 – 1945

Ausgabe

DAS ARCHIV 02/1965

Autor: Alfred Koch, 53 Bonn (weiland OPD Oppeln und PA Rybnik)

Seiten: 1 – 16

Durch den Artikel 88 des Versailler Friedensvertrages vom 28. 6. 1919 wurde bestimmtm „daß die Bewohner Oberschlesiens aufgerufen werden sollten, in einer Abstimmung bekannt zu geben, ob sie mit Deutschland oder Polen vereinigt zu werden wünschten“. Das oberschlesische Abstimmungsgebiet deckte sich im wesentlichen mit dem früheren preußischen Regierungsbezirk Oppeln; nur der Kreis Neiße und Teile der Kreise Neustadt, Falkenberg und Ratibor blieben außerhalb des Abstimmungsgebietes. Vor der Abstimmung und der Besetzung durch alliierte Truppen wurde in Anbetracht „allerwichtigster politischer Notwendigkeiten“ durch das „Gesetz betr. die Errichtung einer Provinz Oberschlesien“ vom 14.10.1919 (Preuß. Gesetzsammlung 8.11.1919) die Provinz Schlesien in die Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien (bisheriger Regierungsbezirk Oppeln) geteilt und Oppeln zur Hauptstadt Oberschlesiens bestimmt. Ein Teil Oberschlesiens, das sog. Hultschiner Ländchen, ein Teil des Landkreises Ratibor, ein Gebiet von 315qkm mit rd. 48 000 Einwohnern, wurde ohne Befragung der Bevölkerung abgetrennt und der Tschecheslowakei zugesprochen, die das Gebiet bereits am 4.2.1920 in Besitz nahm. Am 11.2.1920 übernahm die „Interakkiierte Regierungs- und Plebiszitkommission“ (IK) die Machtbefugnisse des Deutschen Reiches und Preußens mit Ausnahme des Gesetzgebungs- und Steuerrechts. Die IK bestand aus Vertretern der USA, Frankreich, Englands und Italiens; sie hatte ihren Sitz in Oppeln und war „allmächtig“ „Ihre erste Tätigkeit erstreckte sich auf die Loslösung des Abstimmungsgebietes vom Reiche und von Preußen.“ Für die Ein- und Ausreise wurden Pässe eingeführt. Auf Anordnung der IK durfte sich der Verwaltungsbezirk der OPD Oppeln nur auf das oberschlesische Abstimmungsgebiet liegende Postorte der OPD Oppeln der OPD Breslau zugeteilt werden. (Post-Nachrichtenblatt-Vf. Nr. 137/1920). Die Postanstalten des Abstimmungsgebietes mußten besondere, von der IK für Oberschlesien herausgegebene Postwertzeichen verwenden (Post-Nachrichtenblatt-Vf. Nr. 135/1920). Auf Anordnung der Ik durften chiffierte Telegramme mit Ausnahme von solchen der IK und der Besatzungstruppen nicht angenommen werden. Alle im Abstimmungsgebiet eingehenden Telegramme mußten abschriftlich dem Überwachungsbeamten der IK vorgelegt werden (Post-Nachrichtenblatt- Vf. 155/1920). Diese Maßnahme wurde etwas später auf Telegramme in verabredeter Sprache des Handelsverkehrs und auf Telegramme in verabredeter chiffrierter Sprache beschränkt (Post-Nachrichtenblatt-Vf. Nr. 205/1920). Die Volksabstimmung in Oberschlesien fand am 20.3.1921 statt; sie ergab 707 554 Stimmen für Deutschland gegen 484 820 Stimmen für Polen oder knapp 60 v. H. gegen etwas über 40 v.H. Vor der Entscheidung über das endgültige Schicksal Oberschlesiens brach in der Nacht zum 3.5,1921 der 3. Polenaufstand in Oberschlesien auf, der unsägliches Leid über das Gebiet brachte. Über die Störungen im Postdienst aus diesem Anlaß berichtet die Post-Nachrichtenblatt-Vf. Nr. 462/1921:

Leider ist es zur Zeit schwierig, weiter in die Postgeschichte der jetzt unter polnischer oder sowjetischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete enzudringen, da nur wenig Archivgut gerettet werden werden konnte oder uns zugänglich ist. Aber auch hier gab es glückliche Umstände. So durchforschte vor dem Kriege Amtsgerichtsrat Robert Helwig die Archive, um Material für die „Geschichte der Stadt Preußisch Holland“ zu suchen. Seine Mühen wären umsonst gewesen, wenn Stadtoberinspektor Fehr das 8kg schwere Manuskript nicht auf der Flucht im Rucksack größtenteils zu Fuß bis nach Westdeutschland gebracht hätte. Diesen Männern ist es zu verdanken, daß eine wertvolle Quelle über die Postverhältnisse des Städtchens und seiner Umgebung erhalten blieb. Vieles ist nicht nur von lokaler Bedeutung, zumal durch den Kreis, wie wir noch sehen werden, wichtige Verkehrslinien gingen.

 

(…)