Digital, analog, postdigital?

Die Deutschen und ihre (mediale) Freizeitgestaltung

Ausgabe

DAS ARCHIV 02/2023

Autorin: Tanja Neumann

Seiten: 32 – 34

Der Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland sowie dem Umgang der Nutzer mit den Internet-Angeboten gilt seit 1997 die ARD/ ZDF-Onlinestudie. Der „Freizeit- Monitor“ der Stiftung für Zukunftsfragen erfasst dagegen seit 1982 das gesamte Freizeitverhalten der Bevölkerung. Beider Ergebnisse aus 2022 zeigen klar: Die Deutschen sind zunehmend online, und sie bleiben immer öfter zu Hause.

Fernsehen ist nach wie vor beliebt, heißt aber nicht unbedingt, dass Familien vor dem Bildschirm zusammenkommen

Es ist ein Trendm der sich erstmals Ende der 1990er-jahre zeigte, damals aus der Not geboren: „Sparzwang bremst Aktivitätsdrang“ war die Analyse des „Freizeit-Monitors“ 1997 betitelt, die den Rückzug in die eigenen vier Wände als Reaktion auf die schwierige Konjunktur interpretierte: „Vieles spielt sich in den eigenen vier Wänden ab – zwischen Fernsehen und Telefonieren, Bücherlesen und Briefeschreiben. Gemütlichkeit und Beschaulichkeit dominieren nach Feierabend.“ 25 Jahre später sind unter den Top Ten der „regelmäßigen Freizeitaktivitäten“ acht verschiedene Formen der Mediennutzung gelistet, „Internet nutzen“ mit bis zu 97 Prozent. Vier von fünf Personen in Deutschland waren 2022 täglich online, und nur noch 3,6 Prozent überhaupt nie. Einzig, „den eigenen Gedanken nachhängen“ und „über wichtige Dinge reden“ halten dagegen, gegen die ungebrochene Anziehungskraft des Internets. „Es verspricht Wissen, Unterhaltung und Ablenkung, bietet (scheinbar) Anonymität, Gleichheit sowie Kontrolle, ist fast allgegenwärtig und fasziniert nahezu alle Bürger“, kommentierte Professor Ulrich Reinhardt, der wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen, im Vorjahr die Ergebnisse der Studie. Eine rasante Entwicklung innerhalb von nur zwei Jahrzehnten: Als die „ARD – Onlinestudie“ 1997 ersrmals vorgestellt wurde, gingen die Autoren von einem „Online-Potential“ von bis zu 10 Prozent der Bevölkerung aus. Die Wirklichkeit übertraf diese Prognose bei Weitem. Das Internet etablierte sich schneller als angenommen, zumal es bald auch Inhalte klassischer Medien verfügbar machte. Mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets sorgten für einen weiteren Schub, und Ende 2020 konstatierten die Medienforscherinnen Natalie Beisch und Carmen Schäfer, dass die Corona-Pandemie die Nutzung des Internets und vor allem die Kommunikation über WhatsApp weiter intensiviert habe.

 

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