Die Sekretärin
Ein Beruf zwischen Dienstleistung und Emanzipation
Aus Tagebüchern und Lebenserinnerungen von Frauen, die in den 1950er-Jahren als Sekretärinnen tätig waren, hat Annegret Braun ein Buch komponiert. War es mit Steno und Maschinenschreiben getan in den „Vorzimmern der Macht“? Was waren die Aufgaben einer Zugsekretärin? Hier wirft sie einen Blick hinter die Fassade eines „Traumberufs“.
Eine Zugsekretärin der Deutschen Bundesbahn vermittelt Ferngespräche über eine TEKADE-Zugfunkanlage B 72 im Schreibabteil eines Trans-Europa-Express (TEE)
Foto: TeKaDe Süddeutsche Telefon-Apparate-, Kabel- und Drahtwerke AG / MSPT
Zugsekretärin Doris Kraus, die auch in dem Zug als Sekretärin arbeitete, mit dem Queen Elisabeth II. während ihres Staatsbesuchs in Deutschland 1965 unterwegs war
Foto: MSPT
„Sieht so eine Sekretärin aus?“ Das fragte sich Rhoda Roscher voller Selbstzweifel, als sie nach der Handelsschule im Jahr 1915 eine Stelle suchte. „Bauch voraus – Füße einwärts, die Nase gerötet.“ Rhoda fand sich nicht hübsch genug, entsprach in ihren eigenen Augen nicht dem Bild einer Sekretärin. Denn schon in den Anfängen des Berufs zählte bei Sekretärinnen nicht nur Kompetenz, sondern auch das Erscheinungsbild.
Eine Sekretärin war gepflegt, schick angezogen und schön frisiert. Besonders in den 1950er-Jahren war das ein in der Öffentlichkeit verbreitetes Bild von diesem Beruf. Und nicht zuletzt deshalb war er für viele junge Frauen attraktiv. Zur Ausbildung der Sekretärin gehörten auch Schminkkurse − doch ausschlaggebend war das Können. Rhoda Roscher machte in den 20er-Jahren Karriere und wurde eine sehr geschätzte Chefsekretärin, für die Handwerkertochter ein beachtlicher sozialer Aufstieg. Eigentlich hätte sie nach der Schule als Dienstmagd arbeiten sollen, aber ihr Lehrer setzte sich bei ihren Eltern dafür ein, dass sie eine Handelsschule besuchen solle.
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