Vom kaiserlichen Postbeamten zum nationalsozialistischen Gauleiter

Ein Blick auf die berufliche Laufbahn des Jakob Sprenger aus Frankfurt am Main

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte, Regionalbereich Mitte, 2000

Autorin: Stephanie Zibell

Seiten: 37-46

In ihren Kompetenzbereichen, den Gauen, galten die Führer der regionalen Mittelinstanzen der NSDAP als Vertreter Hitlers. Ihnen oblag die Aufgabe, den Willen des Führers und die Zielsetzungen des Nationalsozialismus unterhalb der Reichsebene durchzusetzen. Sie waren Männer von ganz besonderer Bedeutung. Zu ihnen zählte Jakob Sprenger, ein gelernter Postbeamter. Was trieb diesen Mann, Jahrgang 1884, während der Weimarer Republik zu den Nationalsozialisten? Schließlich gehörte er nicht zu den durch den Krieg Entwurzelten. Denn als er 1919 nach Hause zurückkehrte, erwartete ihn dort eine sichere Stellung bei der Reichspost. Sprengers Wiedereintritt in das Leben im Frieden schien vorgezeichnet. Tatsächlich aber konnte er sich mit dem Dasein in der Republik von Weimar nicht anfreunden. Aus welchem Grund konnte er das nicht?

Um Sprengers Wendung vom unpolitischen Bürger und Beamten zum politisch Handelnden nachvollziehen zu können, bedarf es der Darstellung seiner Herkunft sowie seines staatsbürgerlichen und sozialen Verständnisses. Darüber hinaus ist eine Untersuchung seiner wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnisse von Bedeutung. Denn seine Arbeitgeberin, die Deutsche Reichspost, litt in der Zeit der Weimarer Republik unter erheblichen Problemen. Ihre Beschäftigten blieben davon nicht verschont. Die Unzufriedenheit der Beamtenschaft wuchs. Und viele der öffentlichen Bediensteten, die jahrzehntelang das Rückgrat des Staates gebildet hatten, schlossen sich plötzlich der NSDAP an. War es tatsächlich die Reichspost, die ihre Beschäftigten den Nationalsozialisten zutrieb? Der vorliegende Aufsatz versucht, die Situation der Post in der Weimarer Republik darzustellen und mit der persönlichen Entwicklung ihres Beamten Jakob Sprenger zu verknüpfen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden.

(…)