Erinnerungen an die Lehrzeit beim Telegraphenbauamt Stettin (1938-41)

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte, Regionalbereich Nord, 1999

Autor: Hans-Joachim Borgwardt

Seiten: 37-48

Ich habe nur die Volksschule besucht, denn mein Vater, ein Sozialdemokrat, vertrat die Meinung, daß eine höhere Schulbildung mich nur dazu verleiten könnte, mich einmal von der Arbeiterklasse abzuwenden. So stand nun mit dreizehn Jahren meine Berufswahl an. „Na Jung, wat wist du nu warn, datt wa nu Tied, datt du die datt öwerlägst“, so meine Großmütter, denn meine Mutter war früh verstorben.

Was hatte man schon in dem Alter und vor allem zu damaliger Zeit, wo es noch kein aufklärendes Fernsehen gab und Zeitungen oder gar Rundfunk für den kleinen Mann unerschwinglich waren, für eigene Vorstellungen. Es war eine, verglichen mit heute, völlig andere Zeit und für unsere Jugend, unvorstellbar. So antwortete ich also naiv: „Ick mücht Dischler, oder Murer, vielleicht ok Gärtner warn“. Doch der Protest meiner Großmütter kam einem Aufstand gleich, vor allem an meinen Vater gerichtet. „Ne“, antworteten sie, „datt kümmt gor nicht in Froch, du warst einen soliden Beruf ergriepen“. Hinter dem Wort „solide“ verbarg sich keine Mißachtung vor den genannten Berufen, sondern ihre Lebenserfahrung. Bedenken wir, ungeachtet der noch immer grassierenden Weltwirtschaftskrise, daß es in vielen Handwerksberufen während der Wintermonate Arbeitslosigkeit gab. Es gab damals noch keine Materialien und Techniken, die das Arbeiten unter Winterbedingungen ermöglichte. Zu diesen Berufen gehörten der Hoch- und Tiefbau, die Bautischlerei, Dackdecker- und das Fischergewerbe u.a. Und so bestimmten die Großeltern weiter: „Du geihst in denn Stootsdenst. Dort verdenst du twors nich so väl as annerswo, öwer du hest ümmer dien Utkommen.“ Die Solidarität im Berufsleben war also die Sicherheit eines Arbeitsplatzes, denn das bedeutete ein geregeltes Auskommen für die Familie. Dieses Mal mußte mein Vater klein beigeben.

(…)