Preiswerte Telefonate | Telefonbetrug mit Fremdmünzen

Ausgabe

DAS ARCHIV 03/2023

Autor: Joel Fischer

Seiten: 22 – 25

Ende des 19. Jahrhunderts kamen moderne Verkaufsautomaten in Mode und damit der Konsum auf Knopfdruck – auch bei der Post, die 1899 in Berlin die ersten „Fernsprech-Automaten“ aufstellte. Im 20. Jahrhundert waren öffentliche Münztelefone weitverbreitet und lockten – wie auch andere Automaten – Diebe an, die es auf die Münzen abgesehen hatten. Andere Betrüger wollten preiswerter telefonieren und tricksten die Münzprüfer erfolgreich mit ausländischen Münzen von geringerem Wert aus.

Ab 1899 machten Münztelefone das Telefon der Öffentlichkeit zugänglich. Dieser „Fernsprech-Automat“ stand um 1912 in Berlin

Zahnstocher, Streichholzer, Seife und zahlreiche andere Konsumgüter gab es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts aus Verkaufsautomaten. Nachdem die Firma Stollwerk 1887 erste Automaten in Deutschland aufgestellt und allein 1890 darüber 18 Millionen Schokoladentafeln verkauft hatte, folgten mechanische Zigarettenanbieter, aus denen die Zigaretten einzeln gekurbelt wurden, und bald zogen die Kunden sogar Blumensträuße und Toilettenpapier aus Automatenfächern. Einen Röntgenautomaten – als Pedoskop dienten sie bis in die 1960er-Jahre der Verkaufsförderung in Schuhgeschäften – entwickelte Carl Buderus 1896 in Hannover. „Nach Einwurf eines 10-Pfennig-Stückes“ konnten Interessierte damit „nicht nur die eigene Hand, sondern auch fremde Gegenstände wie Holz, Leder, Papier“ durchleuchten lassen. Ein weiterer ungewöhnlicher Automat stand 1955 am Bahnhof in Lübeck. Für zwei Mark gab der Heiratsvermittlungsautomat Kontaktanzeigen einsamer Herzen aus sowie einen Briefumschlag zur Kontaktaufnahme mit der Post. Die Briefmarke dafür gab es ebenfalls auf Knopfdruck – aus einem der zahlreichen Briefmarken-Automaten, die die Reichspost 1915 eingeführt hatte. Die Deutsche Bundespost betrieb 1987 rund 30 000 dieser Automaten, deren Zeit inzwischen „abgelaufen“ ist.
Auch Postkarten oder Briefpapier boten die „stummen Straßenverkäufer“ an. In einer Berliner Schalterhalle nahm die Reichspost um 1930 sogar einen Automaten in Betrieb, der für 10 Pfennig eine Schreibmaschine freischaltete und Schreibpapier samt Kohlepapier für den Durchschlag ausgab. Hochmodern waren auch die „Fernsprech-Automaten“, die die Post 1899 „in größerer Anzahl“ aufstellte, „um dem Publikum in erhöhtem Maße Gelegenheit zu einer ausgiebigen Benutzung des Fernsprechers zu bieten“. Damit war das öffentliche Münztelefon geboren, das sich in den folgenden Jahrzehnzen zum erfolgreichsten Automaten der Reichs- und Bundespost entwickeln sollte und vielen das Telefonieren überhauot erst ermöglich hat.

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