Reisekosten anno 1835 | Mit der Extrapost von Berlin nach Wiesbaden und zurück

Ausgabe

DAS ARCHIV 03/2023

Autor: Wenke Wilhelm

Seiten: 26 – 31

„Wenn jemand eine Reise tut, so muss er viel bezahlen.“ So könnte die bekannte Redewendung des Dichters und Journalisten Matthias Claudius (1740 – 1815) treffend abgewandelt werden. 77 Gebührenquittungen einer Reise mit der Extrapost von Berlin nach Wiesbaden und zurück belegen die sich stetig summierenden Reisekosten und die Komplexität des Reisens durch die (Klein-) Staaten des Deutschen Bundes im 19. Jahrhundert.

Die farbigen Markierungen in einem Ausschnitt einer Reproduktion der Post-Karte Preußens von 1829 kennzeichnen den Verlauf der Reisestrecke der Friederike von Gentzkow von Berlin über Heidelberg nach Wiesbaden und zurück in Grün (hin) und Gelb (zurück)

Die Wegekarten, entstanden im Zuge der Vermessung der preußischen Postkurse ab 1800, entsprechen der Route des ersten Reisetags der Frau von Gentzkow von Potsdam über Michendorf nach Beelitz bis Treuenbrietzen

Im Herbst 1835 – es ist das Jahr, in dem die Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth ihren regelmäßigen Betrieb aufnahm – unternahm die Gutsbesitzerin Friederike von Gentzkow (1787 – 1837) von ihrem Schlossgut Broock aus, bei Demmin im heutigen Mecklenburg-Vorpommern gelegen, eine Badereise nach Wiesbaden und zurück. Einiges ist über Johanne Friederike Caroline von Gentzkow, geborene von Arnim bekannt. So war der Anlass ihrer Reise wohl ein trauriger: Im Sommer hatte sie ihren Mann Carl Wilhelm von Gentzkow (1777 – 1835) zu Grabe tragen müssen. Die 47-jährige Witwe suchte daraufhin vermutlich Ruhe und Erholung bei einer im 19. Jahrhundert so beliebten Kur-Reise. Keine zehn Jahre zuvor, im Winter 1826/27, hatten sie bereits weitere schwere Schicksalsschläge getroffen, als innerhalb weniger Wochen vier ihrer sechs Kinder im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren an Masern und Scharlach verstorben waren. Ihr ältester Sohn Carl Ernst Rudolph (1816 – 1840), der während der Epidemie wahrscheinlich an einem anderen Ort in Sicherheit gebracht worden war, erbte nach dem Tod des Vaters das Gut und absolvierte zu jener Zeit wohl seine militärische Ausbildung. Die 15- jährige Tochter Emilie Auguste Louise, die als Einzige von der schweren Krankheit genesen war, genoss vermutlich gerade ihre Erziehung im Fräulein-Stift zu Heidelberg. In der Romantik-Stadt am Neckar, bereits im frühen 19. Jahrhundert ein Anziehunspunkt für Touristen, hielt sich Friederike von Gentzkow während ihrer Reise vier Tage lang auf, ehe sie diese nach Wiesbaden fortsetzte. Vielleicht reiste ihre Tochter mit ihr und hat sie dort abgesetzt, oder sie hat sie in Heidelberg besucht.

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