Vom Luxusgut zum Luxusgut? Zur Geschichte der Engergieversorgung und -kosten

Ausgabe

DAS ARCHIV 03/2023

Autor: Daniel Römer

Seiten: 8 – 15

Als der Großhandelsstrompreis Ende August 2022 an den Handelsbörsen kurzzeitig auf fast 900 Euro für die Megawattstunde stieg, herrschte Panik in deutschen Energieunternehmen, und auch viele Verbraucher begriffen: Strom und Gas sind nicht so selbstverständlich bezahlbar, wie es lange schien. Die Geschichte der Energieversorgung ist auch die Geschichte ihrer Kosten – mit Höhen und Tiefen.

Werbeschrift der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin 1926 (Ausschnitt)

Foto: TECHNOSEUM/Klaus Luginsland

Zählwerk eines frühen Gaszählers der Mainzer „Gasmessfabrik“ Elster & Co.; gegründet hatte diese Emil Haas, Ingenieur und Gaswerksdirektor

Foto: TECHNOSEUM/Klaus Luginsland

Strom als Luxusgut

Stolze 14 Mark und 60 Pfennige verlangte die Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft im November 1913 vom Erfinder des Automobils, Carl Benz – nur für das Licht seiner Landenburger Villa. Neben 60 Pfennigen Grundgebühr, damals „Zählermiete“ genannt, schlugen 35 Kilowarrstunden (kWh) zu je 40 Pfennig zu Buche. Andernorts hätte man bei diesen Strompreisen geradezu gejubelt: Im Thüringischen Mühlhausen verlangte das Elektrizitätswerk um 1900 stolze 60 Pfennig für das Kilowatt Lichtstrim, und in Mannheim musste man dafür sogar 70 Pfennig berappen. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Brot kostete damals in Mannheim 35 Pfennig, Braunkohlebriketts, der übliche Brennstoff, waren für etwas mehr als zwei Pfennige pro Kilogramm zu haben. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs betrug der durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst eines Landarbeiters in den Mannheimer Umlandgemeinden knapp unter 1 000 Mark, sodass elektrischer Strom für die meisten ein unerreichbares Luxusgut war. Nach der Inbetriebnahme des ersten öffentlichen Elektrizitätswerks in der Berliner Markgrafenstraße im Jahr 1885 entstanden in vielen Städten und Gemeinden jeweils voneinander unabhängige Elektrizitätsnetze – jeder Ort baute sein eigenes Kraftwerk. Mal in öffentlicher Regie, mal als Konzessionsbetrieb im privater Hand. je nach gewähltem Generatortyp unterschied sich die Spannung; hier lieferte das Netz Gleich-, dort Wechselstrom. Der Brennstoff für all dies musste meistens von weit her beschafft werden: aus den Kohlerevieren des Rheinlands, an der Saar, in Mitteldeutschland und in Oberschlesien. Manchmal mussten, wie in Blankenhain in Thüringen, die Bedürfnisse des Betriebspersonals berücksichtigt werden: der Strom wurde werktäglich für eine einstündige Mittagspause und sonntags von 11 bis 16 Uhr abgestellt.
Günstiger war der Strom in Orten zu haben, die ihn aus großen Wasserkarftwerken beziehen konnten. Das deutsch-schweizerische Rheinkraftwerk Rheinfelden verlangte laut einem „Regulativ“ um die Jahrhundertwende keine Anschlussgebühren, rechnete nach Pauschalen ab und gewährte den Großabnehmern großzügige Rabattem sodass die Kilowattstunde teils zum Spottpreis von 0,8 Pfennig zu haben war.

(…)