Zu Tisch!
Erfrischungsanstalten, Postkantinen und Luxusmenüs

Ausgabe

DAS ARCHIV 02/2023

Autor: Joel Fischer

Seiten: 8 – 15

Kantinen sind Teil einer industriellen Arbeitswelt, die Ende des 19. Jahrhunderts auch bei der Reichspost zur Einrichtung von „Erfrischungsanstalten“ führte. Aus diesen entwickelten sich die Postkantinen mit warmen Essen zu erschwinglichen Preisen. Objekte und Archivalien in den Sammlungen der MSPT geben einen Einblick in die „Sozialmaßnahme“ Gemeinschaftsverpflegung in Ost und West, dokumentieren aber auch üppige Menüs, zu denen hohe Beamte geladen waren.

Hell und farbenfroh lockte die Kantine des Fernmeldeamts in Ulm 1961 mit der modernen Einrichtung die Angestellten zu Tisch

Reinhold Fiedler und seine Familie betrieben 1912 in Dresden eine Pächter-Erfrischungsanstalt der Deutschen Reichspost

Hochherrschaftliche Tafeln

Adolf Paul Johannes Klihm (1848 – 1919) trat 1868 als Posteleve in den Dienst der Reichspost und stieg in vierundvierzig Dienstjahren bis zum Geheimen Oberpostrat auf. Eine Akte im Archiv der MSPT dokumentiert seine Ausbildung, die Karriereschritte und Beförderungen, die ihn bis zum Höhepunkt als Leister der Oberpostdirektion Trier über 24 Stunden kreuz und quer durchs Reichsgebiet führten. Ein edel aufgemachtes Album enthält Urkunden und majestätische Schreiben zu seinem Berufsweg und den Ehrungen, die ihm zuteilwurden – immer verbunden mit einer aufwendig gestalteten Karte zu Speisefolge und Musikprogramm. An einer „Ordenstafel“ anlässlich der Verleihung des Ritterkreuzes am 17. Januar 1892 wurden 13 Gerichte gereicht, mit Hühner-Cotelettchen nach Rothschild, Rheinlachs mit Bernaiser-Sauce und Böhmischen Fasanen mit Pfirsichen und Salat. Im September 1898 hatte er die Ehre zu einer besonderen Geselligkeit. Anlässlich eines Besuchs ihrer Hoheiten des Kaisers und der Kaiserin war er am 6. September zu einer „königlichen Mittagstafel“ mit garniertem Rinderfilet, Hummerschnitten in Gallert und gefülltem Biskuit-Pudding gebeten, am folgenden Tag zum Festessen im Kaiserhof zu Porta Westfalica, wo zwei Jahre zuvor ein Denkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms I. eingeweiht worden war. Das Menü ließ mit erlesenen Getränken und einer zehnteiligen Speisenfolge keine Wünsche offen: Schildkröten-Suppe, Forellen mit harter Butter, Helgoländer Hummer nach Toulouser Art, Haidschnuckenrücken, Fürst-Pückler-Eis und anderen Köstlichkeiten wurden aufgetischt.

 

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