75 Jahre Rundfunk in Deutschland

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 1998/2

Autor: Joachim Kniestedt

Seiten: 73-86

Bereits im Jahre 1900 begann man in Deutschland elektromagnetische Wellen – Funkwellen – für Nachrichtenübertragungen von einem Ort zu einem anderen zu nutzen. Erst 20 Jahre später kam der Gedanke auf, über die Funkwellen Nachrichten an viele Empfangsstellen, z.B. Postämter, zu verbreiten. Dieser drahtlos-telefonische Wirtschaftsrundspruchdienst kann als Vorläufer des Rundfunks bezeichnet werden. Das erste Rundfunkprogramm sollte zur Belehrung und Unterhaltung dienen und zum Empfang für jedermann gesendet werden. Die Reichs-Post- und Telegrafenverwaltung (RPTV) stellte hierfür in Berlin einen Mittelwellensender bereit, mit dem am 29. Oktober 1923 der Rundfunk in Deutschland eröffnet wurde. Zu der technischen Entwicklung des Rundfunks über 75 Jahre haben die Post und die aus ihr hervorgegangene Deutsche Telekom einen wesentlichen Beitrag geleistet, an den hiermit erinnert wird.

Hans Bredow (1879-1959), der spätere Staatssekretär im Reichspostministerium (RPM), hat bereits 1919 die Übertragung von Musik und Sprache über einen Sender vorgeführt und dabei erstmals von der Möglichkeit eines „Rundfunks für alle“ gesprochen. Er soll damit das Wort „Rundfunk“ anstelle des vorher üblichen Wortes „Radio“ in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt haben.

Die RPTV hatte nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die für militärische Funkdienste errichtete Sendestelle Königs Wusterhausen übernommen. Die südostlich von Berlin gelegene Sendestelle wird als die Wiege des deutschen Rundfunks bezeichnet. Denn von hier begannen die Versuche mit der Übertragung von Musik über Funkwellen. Hans Bredow ermutigte das Postpersonal, solche Versuche durchzuführen. Das erste Instrumentalkonzert wurde von den Postlern selbst mit Geige, Harmonium und Chorgesang am 22. Dezember 1920 veranstaltet und über einen 0,5-kW-Sender auf der Langwelle ausgestrahlt. Die als Sonntagskonzert bezeichnete Sendung konnte in weiten Teilen Europas empfangen werden. Die ebenfalls über Funkwellen eingegangenen Empfangsberichte kamen unter anderem aus Karlsborg, Serajewo und sogar aus dem 1700 km entfernten Moskau. Ein halbes Jahr später konnte bereits eine Aufführung der Oper „Madame Butterfly“ aus der Staatsoper Berlin übertragen werden. Die dann über einen auf 1,5 kW Leistung verstärkten Sender regelmäßig ausgestrahlten Sonntagskonzerte fanden in ganz Europa begeisterte Zuhörer. Konzertsendungen auf der Langwelle wurden sogar noch nach dem Beginn des Rundfunks bis Anfang 1926 ausgestrahlt.

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