Das Briefwaagensystem »Fertig«

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 1997/2

Autor: Johannes Lindner

Seiten: 89-98

Im Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1986, ist „die Geschichte der Briefwaage“ ausführlich und sachverständig beschrieben und an Hand vieler schöner Fotos erläutert worden. In einer derart umfassenden Berichterstattung ist es selbstverständlich nicht möglich, auf Details bestimmter Briefwaagen einzugehen, doch zu einigen Briefwaagensystemen gibt es durchaus interessante Entwicklungsgeschichten. Deshalb wird im folgenden über ein Briefwaagensystem berichtet, welches in dem oben genannten Artikel auf Seite 72 des Heftes 1/1986 in nur wenigen Zeilen und ohne Abbildung angedeutet ist:

„Auch eine andere Waage verdient Aufmerksamkeit, obwohl sie noch relativ jung ist: die Luftpostwaage „aero“. Sie ist die einzig bekannte Einpendelwaage, bei der sich der Nullpunkt selbsttätig einstellt. Dies wird durch eine pendelnde Aufhängung des Rahmens mit der Skala erreicht. Eine Stellschraube, bei diesem System sonst obligatorisch, entfällt bei dieser Waage.“

Nun ist diese „relativ junge“ Waage eines der letzten Modelle eines Neigungswaagensystems, das sich schon in den Aufzeichnungen von Leonardo da Vinci (1452-1519) findet, und dessen Theorie der Mathematiker und Philosoph Johann Heinrich Lambert (1728-1777) an Hand von 10 Zeichnungen ausführlich in den ACTA HELVETICA im Jahre 1758 dargestellt hat; Abb. 1 zeigt die Fig. 7 aus seiner Veröffentlichung. Wahrscheinlich ohne Kenntnisse dieser Vorgänger begann die Geschichte des Briefwaagensystems „Fertig“ im Jahre 1909 mit der Postanmeldung einer Neigungswaage der Firma Ph. J. Maul in Hamburg beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin, an deren Ende die Luftpostwaage „Aero“ stand. Von jener Zeit an bis etwa 1970 wurden Neigungswaagen nach diesem Patent in den Verkaufskatalogen der Firma Ph. J. Maul angeboten. Da diese Waagen ausschließlich von Ph. J. Maul entwickelt und hergestellt wurden, und da auch im oben genannten Heft 1/1986 des Archivs für deutsche Postgeschichte vielfach die Briefwaagen von Ph. J. Maul zitiert und abgebildet sind, dürfte es nicht unangebracht sein, zunächst einen kurzen Blick auf die Geschichte von Ph. J. Maul und sein heute nicht mehr bestehendes Unternehmen zu werfen.

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