Der Großrundfunksender Mühlacker und seine nachhaltigen Nachkommen

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Funktürme aus Holz. Der Großrundfunksender Mühlacker und seine nachhaltigen Nachkommen.

Ausgabe

DAS ARCHIV 4/2020

Autorin:Joel Fischer

Seiten: 16 – 23

Drei Aktenordner im Archiv des Museums für Kommunikation dokumentieren die bau- und materialtechnischen Herausforderungen, die das höchste Holzbauwerk aller Zeiten, der ehemalige Großrundfunksender in Mühlacker (1933/34), mit sich brachte. Das Rekordbauwerk von damals lenkt den Blick aber auch auf heutige Rekorde im Holzbau, die ungeahnte Möglichkeiten bieten – vielliecht auch für den Bau moderner Funktürme.

Im Spätsommer 1933 errichtete die Siemens-Bauunion einen Konstruktionsmast aus Eisen, an dem zunächst die massiven Eckpfeiler ausgerichtet und stabilisiert wurden. Anschließend diente er als Kran, um die schweren Bauhölzer nach oben zu befördern.

Während des Baus waren die beiden 100 Meter hohen Vorgängertürme – einer davon ist im Hintergrund zu sehen – weiterhin in Betrieb. Der Konstruktionsmast und die zahlreichen Abspannseile aus Stahl wurden derweil zu gefährlichen Stromleitern. Im September 1933 konnte der Sendebetrieb deshalb erst nach 16 Uhr aufgenommen werden, von Oktober bis November wurde er ganz eingestellt.

Seit einigen Jahren erlebt Holz einen Boom. Viele Architekten betrachten den Rohstoff sogar als Baumaterial der Zukunft. Erfolgsgrundlage des Comebacks ist die heute möglich innovative Verbindungstechnik als Kreuzlagenholz. Dabei werden mindestens drei Lagen Einschichtplatten kreuzweise verklebt und zu Cross Laminated Timber (CLT) verbunden, das je nach Verwendungszweck verstärkt werden kann. Aus weichem Nadelholz entsteht so ein robustes Massivholz-Produkt, das sogar Beton und Stahl in vielen Bereichen überlgen ist.

Auch die Baubehörden sind überzeugt, denn das CLT entspricht aufgrund der natürlichen Eigenschaften des Holzes sämtlichen Dämmvorschriften und Brandschutzauflagen: Im Brandfall würde das Verbundsystem des Kreuzlagenholzes so verkohlen, dass sich das Feuer nicht weiter ausbreiten könnte. Die ersten Hochhäuser aus Holz, die sogenannten „Plyscraper“, schießen bereits aus dem Boden oder sind in Planung. In Chicago, London und Tokio sind Hochhäuser aus Holz geplant, die über 300 Meter in die Höhe ragen sollen. Vorerst aber spielen sich die Rekorde in anderen Dimensionen ab: Das SKAIO-Gebäude in Heilbronn wurde 2019 mit 34 Metern Höhe als höchstes Holzbauwerk Deutschlands bezeichnet. Als höchstes der Welt gilt derzeit da 84 Meter hohe HoHo in Wien, das zu 75 Prozent aus Holz besteht und in den nächsten Jahren fertiggestellt sein soll.

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