Der Wiederaufbau der Post in der britischen Besatzungszone nach dem Zusammenbruch 1945

Ausgabe

DAS ARCHIV 02/1978

Autor: Ludwig Kämmerer

Seiten: 5 – 18

I. Einleitung

1. Post und Staat

Zwischen Post und Staat haben von jeher innige Wechselbeziehungen bestanden. In früheren Zeiten erstreckten sich diese verständlicherweise auf das Postwesen allein, seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch auf das werdende Fernmeldewesen, in beiden Fällen also auf das organisierte Nachrichtenwesen schlechthin. Dieses hat sich entgegen dem geschichtlichen Bedürfnis ausgebreitet, dem es seinen Ursprung verdankt. Seinen Ursprung verdankt es nämlich dem Bedürfnis des „Staates“ nach Aufrechterhaltung seiner Macht über das Staatsvolk im Staatsgebiet. Die Befriedigung dieses Bedürfnisses setzt die Bekanntgabe und Befolgung des zentralen Herrschaftswillens bis in die letzten Winkel des Machtbereichs voraus und damit seine ständige Übermittlung durch eine entsprechende, in den ersten Anfängen primitive Organisation. Andererseits und nicht zuletzt dient eine solche Organisation dazu, die Zentrale über alles zu unterrichten, was geeignet ist, die Allgegenwart des „Staatswillens“ zu gefährden. In Krisen-, Not- und Kriegszeiten weitet sich das Übermittlungs- und Unterrichtungsverlangen gewaltig aus. In normalen Zeiten und auf den höheren Entwicklungsstufen äußert sich eine Befriedigung in der Form der Abwicklung der Regierungsgeschäfte. Immer ist die öffentliche Nachrichtenorganisation jedoch ein wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur des Staates und zeigt uns diesen in seiner ständigen Selbsterneuerung mit Hilfe gegenseitiger Durchdringung aller auf ihn abzielenden Aktivitäten. Wegen dieser „besonderen Bedeutung des Nachrichtenwesens für den Staat“ sollte später – entsprechend der Begründung des Gesetzes über die Verwaltung der Deutschen Bundespost vom 24. Juli 1953 – das Post-und Fernmeldewesen der Bundesrepublik Deutschland zum Unterschied von der Bundesbahn bezeichnenderweise „als echte Bundesverwaltung unter der Leitung des zuständigen Bundesministers“ geführt werden.

Diese Klarheit in der Entwicklung des organisierten Nachrichtenwesens wird von dem Zeitpunkt ab verdunkelt, als sich Private aus kommerziellen Gründen (Hauptfall: Thurn und Taxis) und der Staat aus fiskalischen Gründen (Hauptfall: Preußen) dazu entschließen, die vorhandenen Einrichtungen auch zur Beförderung privater Nachrichten zu benutzen. Mit dieser zusätzlichen Zweckbestimmung änderte sich auch das Erscheinungsbild der Organisation. Während die Post bis dahin in aller Regel streckenmäßig auf die Verbindung größerer Orte ausgerichtet war, breitete sie sich nunmehr flächenmäßig aus, um näher an den „Kunden“ heranzurücken. Diesem soll die Benutzung der Organisation erleichtert, und vielfach soll ein Übermittlungsbedürfnis durch das Vorhandensein der entsprechenden Organisation erst geweckt werden, ein Vorgang, den man heutzutage bekanntlich als Marketing bezeichnet.