Die frühen Rara im Bücherbestand der Museumsstiftung

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Alt und kostbar

Die frühen Rara im Bücherbestand der Museumsstiftung

Ausgabe

DAS ARCHIV 4/2021

Autor: Klaus Beyrer

Seiten: 8-13

elches Alter muss ein Buch besitzen, um wirklich alt zu sein? Die Museumsstiftung Post und Telekommunikation beantwortet diese Frage anhand ihrer Rara-Sammlung auf eindrucksvolle Weise. Denn das Alter ihres Bücherbestands reicht sage und schreibe zurück bis in die Wiegenzeit des Buchdrucks, der 1450 erfunden wurde.

Blick in ein Labor. Ein Mann sitzt lesend auf einem Stuhl, über ihm findet eine heftige elektrische Entladung statt, die er keines Blickes würdigt.

Illuminirbuch Künstlich alle Farben zu machen … Frankfurt am Mayn, Martin Lechler 1589. Der evangelische Pfarrer Valentin Boltz (1515−1560) verfasste neben diesem Sachbuch zu Arbeitsweisen der Buchmalerei auch Dramen und war als Übersetzer tätig

Ein dunkelhaariger Mann mit welligem Haar und Schnurrbart, bekleidet mit einem weißen Hemd und hellen Anzug, stützt den Kopf in die Hand und schaut fast kokett in die Kamera.

Cosmographia Petri Apiani, 65 Bl., Antwerpen 1550

Als das neue Medium noch in den Kinderschuhen steckte, waren die Werke und ihre Themen gut zu überblicken; die Macht des Lesens und erst recht die des Schreibens lag in den Händen weniger Gelehrter und gebildeter KanzleiSekretäre, und als Sprache der Bücher diente nahezu ausschließlich das gehobene Latein.

Schon allein deshalb war Adam Ries seiner Zeit weit voraus. Der sächsische
Rechen- und Schulmeister aus dem erzgebirgischen Annaberg, dessen Name – in der populären Schreibweise mit einem angehängten „e“ – im Sprichwort-Schatz des Deutschen tief verwurzelt ist, schrieb und veröffentlichte seine Lehrbücher nicht etwa in gelehrtem Latein, sondern schlicht in deutscher Sprache. In seinen beiden ersten Werken führte er in den Umgang mit einem Rechenbrett ein und gab einen Überblick über Münzsorten, Maße und Zinsberechnungen. Wenige Jahre vor seinem Tod erschien 1550 unter dem Titel Rechenung nach der lenge, auff den Linihen vnd Feder(n) die dritte und umfangsreichste Schrift, in der Ries seine Leserschaft anhand praktischer Beispiele mit verschiedenen Rechenoperationen vertraut machte. Ein Exemplar dieses dritten Rechenbuchs findet sich im Bibliotheksbestand der Museumsstiftung. Für sie ist das Buch seines hohen Alters wegen wertvoll, aber auch als Rarität – denn von der geschätzten Auflage von 200 bis 300 Stück dürfte heute wenig mehr als ein Dutzend verblieben sein. Sein besonderer Wert erschließt sich endlich bei einem Blick auf das Jahr seines Erwerbs: Das Berliner Postmuseum verzeichnete das Rechenbuch bereits in seinem ersten Sammlungskatalog, den es 1878, nur wenige Jahre nach seiner Gründung als Plan- und Modellkammer, vorlegte. Neben einer Schrift über das Fuhrwesen aus dem Jahr 1671 gehört das Rechenbuch zu den ältesten Rara-Erwerbungen des Hauses. 

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