Ein Blick auf die Oberammergauer Passionsspiele

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Mit dem Postbus zur Passion

Ein Blick auf die Oberammergauer Passionsspiele

Ausgabe

DAS ARCHIV 2/2022

Autorin: Heinrike Paulus

Seiten: 70-73

„Ging vor rund zweitausend Jahren Jesus nicht mit langen Haaren, und Maria liebte ihren Sohn – nur meine Mutter hasst mich“, heißt eingedeutscht eine Zeile aus dem Musical Hair, das nach dem Erfolg in den USA auch in Deutschland Begeisterung auslöste. Es brachte Ende der 1960er den Protest junger Leute zum Ausdruck. Verunglimpft als „Gammler“, begehrten sie auf gegen autoritäre Strukturen. Lange Haare, auch bei Männern, waren Sinnbild des Protests.

Dass Passionsspiele stattfinden, ist nicht zu übersehen: aufgrund des Haar- und Barterlasses tragen Kinder und Erwachsene die Haare lang

Viele Gäste kamen, hier 1934, mit Kraftpostbussen in Oberammergau an; in diesem Jahr wurde das 300jährige-Jubiläum gefeiert

Anders in Oberammergau. Dort gilt ein Haar- und Barterlass für diejenigen, die bei den Passionsspielen dabei sein wollen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde in den oberbayrischen Alpen sind lange Locken bei Jungen und wallenden Bärte bei Männern daher ein längst vertrauter Anblick. Alle zehn Jahre finden die „Passionsspiele Oberammergau“ statt, deren leidvolle Vorgeschichte sich während des Dreißigjährigen Krieges (1618−1648) zutrug. Die Pest forderte zu dieser Zeit viele Tote in ganz Europa, und das kleine Dorf versuchte vergeblich, sich gegen den „Schwarzen Tod“ abzuschotten. An die 80 Opfer forderte die Seuche im Ort. Da gelobten die Oberammergauer, alle 10 Jahre das Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus aufzuführen. Von da an soll es keine Pesttoten mehr gegeben haben. Seit der ersten Aufführung 1634 erfüllen sie das Gelübde, und mit über einer halben Million Zuschauern gelten die Passionsspiele als das bekannteste Laienspiel weltweit. Seit 2014 gehören sie zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

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