Hildesheim – erste Wählvermittlung Deutschlands

Ausgabe

DAS ARCHIV 01/1977

Autor: Heinz Drangmeister

Seiten: 157 – 164

Am 10. Juli 1908 um 7 Uhr vormittags ist in Hildesheim die erste automatische Fernsprech-Ortsvermittlung Deutschlands ohne „Fräulein vom Amt“ in Betrieb genommen worden. Das Hildesheimer „Selbstanschlußamt“ (abgekürzt „SA-Amt“), wie die Wählervermittlung damals genannt wurde, war zugleich die erste öffentliche Einrichtung dieser Art in Europa. Die Wählscheibe trat ihren  Siegeszug auf dem Kontinet an.

Dieses für die elektrische Nachrichtenvermittlung bedeutsame Ereignis fand im Postgebäude am Domhof in Hildesheim statt, in einem im gotischen Stile gehaltenen, zweistöckigen, einen stumpfen Winkel bildenden Backsteinbau, der außer dem Postamt auch das aus der Telegrafenbetriebsstelle des Amtes hervorgegangene, seit dem 1. April 1905 selbstständige und von Telegrafendirektor Drees geleitete „Kaiserliche Telegraphenamt“ beherbergte. Nach einer zeitgenössischen Beschreibung bestand der Bau mit Ausnahme einer „Plinthe“ (Sockelplatte) von Sandstein aus roten, glasierten Verblendziegeln. In der Mitte erhob sich ein mächtiger Giebel, den zwei kleinere flankierten. Fialen (Türmchen) und Zinnen krönten alle drei. Wimpergartige Zwischenbaue (Wimperg = gotischer Ziergiebel) faßten sie zu einem eindrucksvollen Ganzen zusammen. Eine Posthausuhr, die das Reichswappen sowie Embleme der Post und der Telegrafie schmückten das Gebäude ebenso wie ein kunstgeschichtlich bedeutsamer, spätgotischer Werksteinerker aus dem Jahre 1518, der noch vom früheren Postgebäude am Domhof stammte und nun die dem Hof zugewandte Seite des Amtes zierte. Am 1. Juli 1880 hatte „Seine Exzellenz Staatssecretair Dr. Stephan“ dieses Bauwerk persönlich eingeweiht. Stephan, den bei dieser Gelegenheit Oberpostdirektor Wittmann, Chef der Oberpostdirektion Hannover, als ein „Marschall Vorwärts im deutschen Postwesen“ titulierte, dessen Grundsatz sei „christlich denken und germanisch arbeiten“, wünschte dem Gebäude in seiner Ansprache:

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