Ohne Amt, „naturgemäß“?

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Ohne Amt, „naturgemäß“?

Frauen im einfachen und mittleren Dienst bei der Deutschen Reichs- und Bundespost

Ausgabe

Das Archiv 1/2013

Autor: Bettina Oesl, Margret Baumann

Seiten: 100-109

„Was soll uns der ergebungsvolle, das Verlöschen herbeisehnende Buddhismus, die wir eine hochentwickelte Wissenschaft und märchenhafte Technik besitzen und doch noch ein gutes Teil altgermanischer Kampfesfreudigkeit in uns fühlen!“, wundert sich der Autor Dr. Georg Biedenkapp im Posthorn im Juli 1904. Spiritismus, Theosophismus, Buddhismus, Fechnerismus und die Lehren von den Sternenseelen, so konstatiert er in der „Illustrierten Zeitschrift für Belehrung und Unterhaltung“, seien neuerdings Mode. Verwundert nimmt er die Neigung der wenig Gebildeten zur Kenntnis, sich an „diese Strömungen der Zeit“ − im Schauerlichen, im Geheimnisvollen, im Rätselhaften und Mystischen zu verlieren. Dem, so der Autor, hätten auf Dauer weder Schopenhauer noch Nietzsche etwas entgegen zu halten. Für ihn ist Eugen Dühring der einzige, der durch die „Klarheit und Festigkeit seiner Weltanschauung“ in der Lage sei, „sichere Führung“ zu bieten. Dühring war Antisemit. Er sah in der „Rasse“ das Ergebnis der „natürlichen Entwicklung“ der Menschheit, und im Autor des Posthorn hat er darin einen begeisterten Anhänger: Jetzt, wo die Erde beginne, klein zu werden, ja, man sie ein Dorf nenne, läge die „Rassentheoretik“ naturgemäß in der Luft.
Das Posthorn, 1904 im dritten Jahrgang publiziert, erscheint zweimal monatlich mit einem Sammelsurium aus Novellen, Erzählungen, Humoresken, Beiträgen aus Naturwissenschaft und Technik, aus Reisebeschreibungen − gern aus den deutschen Kolonialgebieten − und, adressiert an die Angehörigen der Reichspost, der Rubrik „Vom Poststammtisch“. Das „Naturgemäße“ beschäftigt Autoren und Leser nicht nur im Hinblick auf vermeintlich überlegene oder kulturfeindliche Rassen. In der Ausgabe vom Februar 1904 findet sich ein humoristisch vorgetragener Artikel „Zur Naturgeschichte des Postmenschen“, der auch die homines postalici femininis“ umfasst, die weiblichen Postangestellten: „Infolge des netten Aussehens der femininis spricht man von ihnen als von Puppen – und da sie auch meist den Draht bedienen, so nennt man sie auch Drahtpuppen. […] Eine Begattung, d.h. die Verehelichung mit einem Gatten, ist ihnen strengstens untersagt und zieht unweigerlich Dienstentlassung nach sich. Die Weibchen verbreiten sich in neuerer Zeit sehr rasch und verdrängen die Männchen“, heißt es dann weiter, und dass sie schon deshalb sehr gesucht seien, „weil sie für weniger Geld zu haben sind“. Ein ausgewachsenes Weibchen koste 1 100 Mark, das Männchen sei nicht unter 1 500 zu haben.

(…)