Telefon-Alltag

Ausgabe

Das Archiv 3/2002

Autor: Hermann Bausinger

Seiten: 6-19

In Abhandlungen zum Telefon und in Ausstellungen zur Telefongeschichte standen lange Zeit der Siegeszug und die fortschreitende Verbesserung des Telefons im Mittelpunkt. Diese Fortschrittsperspektive ist nicht verabschiedet; neuerdings wird jedoch das Telefonieren, also der Kommunikationsvorgang selbst, häufiger zum Gegenstand gemacht. Der folgende Text mischt sich nicht ein in den Preiskampf zwischen Reis und Bell, der ja im Übrigen schon deshalb nicht entschieden werden kann, weil die beiden verschiedene Spiele gespielt haben; und er landet auch nicht bei der – für einen Laien kaum möglichen – Entschlüsselung der jüngsten Erfindungen im Bereich der Telekommunikation. Gesprochen werden soll vielmehr über den Telefonalltag, der freilich nicht unberührt bleibt von der Dynamisierung aller Kommunikationsprozesse und der von den Veränderungen im gesamten Medienensemble beeinflusst wird. 

In der Innovationsphase neuer Kommunikationsmittel taucht meistens die Klage auf, dass damit die gewohnten und oft lieb gewonnenen älteren Kommunikationsmittel völlig verschwinden. Tatsächlich aber lässt sich beobachten, dass mit dem Zugang zu neuen Kommunikationsmöglichkeiten die alten im Allgemeinen keineswegs aus dem Verkehr gezogen werden. Das gilt natürlich nicht durchgängig – nur wer einer romantischen Kontinuitätsbegeisterung frönt, wird die von Liebespaaren in Bäume geritzten Monogramme als Fortsetzung der Runenschrift betrachten und im Jodeln eine Konservierung der von Hirten über weite Täler gesandten Verständigungssignale sehen.

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