Vier Jahrzehnte im Dienste der Post | Erlebnisse und Erfahrungen in bewegten Zeiten (1939 – 1968)

Ausgabe

DAS ARCHIV 02/1981

Autor: Ludwig Kämmerer

Seiten: 111 – 135

Vorwort der Schriftleitung

Das Archiv für deutsche Postgeschichte ist an sich kein geeignetes Forum zur Veröffentlichung persönlicher Lebenserinnerungen. Wenn wir den nachstehenden Beitrag trotzdem abdrucken, dann aus drei Gründen: Die geschilderten Erlebnisse und Erfahrungen sind zunächst einmal charakteristisch für eine ganze Generation von höheren Postbeamten, denen es gleich oder ähnlich ergangen ist wie dem Verfasser. Als typische Beispiele vermögen sie den jüngeren Kollegen, die in ihrem dienstlichen Werdegang von politischen Umstürzen, Krieg und Zusammenbruch verschont geblieben sind, doch einige nachdenkenswerte Erkenntnisse vermitteln. Zum zweiten zeigen sie, wie sehr sich im Berufsleben auch nur einer Generation die Berufs- und Arbeitsbedingungen ändern können und tatsächlich geändert haben, beeinflußt von den äußeren politischen Umständen, von Krieg und Nachkriegswirren und von dem jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Schließlich sind sie auch noch ein beredtes Beispiel für die Wandlungen in der inneren Einstellung zum Beruf, die von den Veränderungen in der berufspolitischen Situation und von der Rechtsnatur und dem Selbstverständnis einer öffentlichen Verwaltung wesentlich geprägt wird, alles Dinge, an deren Gestaltung der Verfasser maßgeblich beteiligt war.

Der Entschluß

Wer in Deutschland den Vorzug genoß, um den Beginn unseres Jahrhunderts das Licht der Welt erblickt zu haben, war, wie sich freilich erst nachträglich herausstellte, um dieses Privileg keineswegs zu beneiden. Bis in die fünfziger Jahre hinein bescherte ihm nämlich die Weggenossenschaft mit dem neuen Jahrhundert eine Fülle von Erscheinungen des Mangels und der Unzulänglichkeit, die seine Lebensqualität fühlbar hinter der des westeuropäischen Standards zurückbleiben ließen. Zu solchen bemerkenswerten Lücken rechneten, vor allem für die Jugend, die sprälichen und unsicheren Berufschancen im Jahrzehnt nach dem Ersten Weltkrieg. Gewiß, infolge des Verlustes eines Waffenganges von solcher Ausdehnung und mit Folgen von solchen Ausmaßen war das nichts Außergwöhnliches, wenigstens nicht auf der Verliererseite. Die Wirtschaft lag darnieder, die Industrie war in der Umstrukturierung auf Friedensproduktion begriffen, und die Reichsmark begann ihren denkwürdigen Höhenflug in bislang ungeahnte Regionen. Die öffentlichen Dienststellen waren überfüllt von Personal, das aus den abgetretenen Gebieten ins Rumpfland zurückströmte und auf Beschäftigung hoffte.