Wilhelm Ohnesorge und die Telegraphendirektion des Großen Hauptquartiers während des Ersten Weltkriegs

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 1998/1

Autor: Wolfgang Lotz

Seiten: 81-100

Wilhelm Ohnesorge (Jahrgang 1872), seit 1. März 1933 Staatssekretär im Reichspostministerium und vom 2. Februar 1937 bis zum Kriegsende 1945 letzter Minister der Deutschen Reichspost, ist bereits frühzeitig durch technische Fähigkeiten und Leistungen hervorgetreten. Sein schneller dienstlicher Aufstieg ist durchaus als Anerkennung dieser Leistungen durch die vorgesetzten Stellen zu werten. Während seiner ersten Berliner Dienstzeit seit 1900 wurde er beim Telegraphenversuchsamt, dem Stadtfernsprechamt und der Oberpostdirektion verwendet. In dieser Zeit gelang ihm eine Reihe technischer Erfindungen und Neuerungen, die Eingang in den Fernsprechbetrieb fanden. Hervorzuheben ist unter anderem die Verbesserung der Mikrophone.

Während des Ersten Weltkriegs diente Ohnesorge zunächst als Referent für Nachrichtenwesen bei der Obersten Heeresleitung, er war dort der Operationsabteilung unmittelbar unterstellt. Infolge der stark gestiegenen Anforderungen an das Nachrichtenwesen richtete die Oberste Heeresleitung am 1. August 1915 im Großen Hauptquartier eine eigene „Telegraphen-Direktion“ ein; ihr Personal von anfänglich 400 Beamten wurde von der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung gestellt. Ohnesorge übernahm am 1. September 1915 die Leitung dieser Einrichtung. Seine Berufung an die Spitze dieser für die Kriegführung wichtigen Telegraphen-Direktion ist ein deutlicher Beleg für das große Ansehen, das Ohnesorge als Techniker genoß. Den in ihn gesetzten Erwartungen wurde er auch gerecht, als es dank der von ihm entwickelten und nach ihm benannten „Ohnesorge-Vierdrahtschaltung“ 1915 erstmals gelang, eine Fernsprechverbindung vom Sitz des Großen Hauptquartiers im französischen Mézières zur Hauptstadt des mit den Mittelmächten verbündeten Osmanischen Reiches, Konstantinopel, herzustellen. Der Chef der Zweiten Obersten Heeresleitung, von Falkenhayn, ersuchte das Reichspostamt am 6. Oktober 1915 um die Beförderung Ohnesorges zum Postrat. Die „vorzüglichen Leistungen und die ausgezeichneten Dienste, die er der Obersten Heeresleitung“ geleistet hatte, waren der Grund für Falkenhayn, sich bei der Führung der Postverwaltung für Ohnesorge um einen der Stellung des Leiters der Telegraphen-Direktion entsprechenden Rang zu verwenden. Das Reichspostamt sprach die Beförderung 1916 aus. Ohnesorge hatte weiterhin für die wichtigsten Fernsprechverbindungen der Heeresleitung ein spezielles technisches Geheimhaltungsverfahren entwickelt. Generalquartiermeister Erich Ludendorff dekorierte ihn dafür persönlich mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse.

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