Heute Abend wird im Berliner Institut für Europäische Ethnologie eine Ausstellung eröffnet, die für Freunde der Postgeschichte sehr interessant sein dürfte. Entwickelt hat sie Prof. Dr. Joachim Kallinich, der ehemalige Direktor des Berliner Museums für Kommunikation, mit einer Gruppe engagierter Studenten des Instituts für Ethnologie.

„Das klingende Sonntagsrätsel“, seit 1965 vom RIAS (Rundfunk Im Amerikanischen Sektor), heute Deutschlandradio, gesendet, war eine gesamtdeutsche Familiensendung, die bis heute überlebt hat. 2015 feiert die Sendung ihr 50jähriges Jubiläum. Ursprünglich war das Sonntagsrätsel nur eine Testsendung, mit der die Reichweite einer neuen Antenne erprobt wurde. Das Konzept war einfach: Moderator Hans Rosenthal stellte zu sechs Melodien eine Frage. Bei richtiger Lösung des Rätsels winkte – mit etwas Glück – ein kleiner Gewinn. Anhand der Hörerzuschriften wollte man feststellen, wo in der DDR der Sender zu hören war. Aufgrund ihrer positiven Resonanz – sowohl im Osten, als auch im Westen – wurde die Sendung schließlich fortgeführt. Sie wurde für viele Familien Teil des sonntäglichen Rituals; kaum eine Sendung erreichte eine so intensive Hörerbindung.

Doch leider waren Sendungen aus dem Westen für die Menschen in der DDR nicht immer ein Genuss ohne Nebenwirkungen. Der RIAS war für die DDR der Feindsender Nr.1: „Wer RIAS hört, den Frieden stört“. Mit Propagandakampagnen und Repressalien versuchte der Staat, Hörer und Hörerinnen einzuschüchtern – dazu gehörte auch die Postkontrolle durch die Stasi. Sie war als „Offenes Geheimnis“ ein Teil des DDR- Alltags. Die Menschen fühlten sich belauscht, beobachtet, bespitzelt. Zu Recht: 90.000 Briefe wurden täglich kontrolliert, d.h. geöffnet, gelesen, weiter geschickt oder konfisziert. Darunter eben auch die an den RIAS adressierten Briefe und Postkarten.

Wie beliebt die Sendung in der DDR war, zeigte sich erst nach dem Mauerfall: waren es vorher rund 500 Zuschriften aus der DDR, so überfluteten im November 1989 ca. 40.000, im Dezember 54.000, im Januar 155.000 und im März 330.000 Briefe und Postkarten den RIAS. 4.500 Zuschriften aus der Zeit von 1982-1989 befinden sich heute in den Archiven des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (BStU). Sie wurden von der Stasi geöffnet, ausgewertet, einbehalten. Diese Briefe und Postkarten, die den RIAS nie erreichten, wurden in einem zweisemestrigen Studienprojekt des Instituts für Europäische Ethnologie gesichtet, analysiert und interpretiert.

Die meisten Briefe und Postkarten enthalten nicht nur das Lösungswort und die Deckadresse, sondern ganz persönliche, in selteneren Fällen politische Botschaften: den Wunsch, etwas zu gewinnen oder die Hoffnung, mal den Kudamm zu sehen. Voller Misstrauen enden viele Briefe mit dem Satz: „Ich hoffe, dass die Post auch ankommt.“ Aber trotzdem schrieben die Menschen in der DDR an den RIAS. Und das konnte, wie drei ausgewählte Fälle in der Ausstellung zeigen, schwerwiegende Folgen wie Disziplinierung, Exmatrikulierung oder Inhaftierung nach sich ziehen.

Die Ausstellung wird vom 16. Juli bis 30. November 2014 im Institut für Europäische Ethnologie, Mohrenstraße 41, 10117 Berlin, zu sehen sein. Die Eröffnung findet dort am 15. Juli im Raum 311 statt. Beginn der Veranstaltung ist um 18 Uhr, es sprechen: Joachim Kallinich,Lilo Nagengast (ehemalige Mitarbeiterin der BStU), Elisa Hänel (Studentin) und Maria Conze (Geschäftsführerin der Humboldt-Universitäts-Gesellschaft.

 

 

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