Nicht erst, seit Peter Wohlleben ihr „geheimes Leben“ publik gemacht hat, faszinieren Bäume die Menschen und können, wie große historische Bauwerke, Gefühle von Erhabenheit und Vorstellungen von Ewigkeit hervorrufen. „Erstaunliche Dinge geschehen im Wald“, heißt es auf Wohllebens Seite: „Bäume, die miteinander kommunizieren. Bäume, die ihren Nachwuchs, aber auch alte und kranke Nachbarn liebevoll umsorgen und pflegen. Bäume, die Empfindungen haben, Gefühle, ein Gedächtnis. Unglaublich? Aber wahr!“ Nicht alle Wissenschaftler folgen dieser Beschreibung einer sozialen Ader von Bäumen oder wollen gar nichts davon wissen – das Gegenteil beweisen lässt sich kaum.    

Auch der Text, den die Landesforstanstalt Mecklenburg-Vorpommern und das Forstamt Stavenhagen anlässlich der neuen Briefmarke, die im Juli 2023 verausgabt wird, verfasst haben, klingt etwas nüchterner, und doch kann man sich der Wirkung, die die mächtige Pflanze sogar auf einer kleinen Briefmarke hervorruft, beim Betrachten kaum entziehen.

Es sind die „Ivenacker Eichen“, die „inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte, unweit der Reuterstadt Stavenhagen, stehen“ und zu den ältesten Bäumen Deutschlands und zu den stärksten lebenden Eichen in Europa gehören“, denen jetzt eine neue Briefmarke gewidmet ist, verausgabt am 6. Juli 2023. „Die mächtigste von ihnen, eine etwa tausend Jahre alte Stieleiche, hat einen Stammumfang von über 11 Metern und ein Holzvolumen von 140 Kubikmetern, gilt als volumenreichste Eiche in Europa. Das genaue Alter der Eichen kann nicht ermittelt werden, aus Jahrringmessungen kann aber geschlussfolgert werden, dass ein Alter von 1000 Jahren als möglich erscheint.“

Weiter beschreibt der Text diese „ältesten Eichen“ als „ein besonderes Zeugnis der Nachhaltigkeit und des pfleglichen Umgangs mit der Natur, sowie der im Mittelalter verbreiteten Landnutzungsform des Hude- (Hüte-) Waldes. Bei der Pflege und Erhaltung der Eichen durch das Forstamt Stavenhagen kommen grundsätzlich keine künstlichen Maßnahmen wie Baumchirurgie oder Ausmauern in Frage. Es werden vielmehr die natürlichen Bedingungen des Hudewaldes mit seinen typischen Attributen – licht, parkartig und voller knorriger alter Bäume mit ausladenden Kronen – unter denen die Eichen so alt geworden sind, weitgehend gewahrt. Mit der Unterstützung von Damwild, Turopolje-Schweinen und Konik-Pferden wird das seltene und historische Waldbild erhalten und macht die mittelalterliche Bewirtschaftungsform der Waldweide für Gäste erfahrbar. Diese hervorragende Arbeit zeichnete der Bund Deutscher Forstleute in den Jahren 2020 und 2021 mit dem Titel „Waldgebiet des Jahres“ aus“. Es biete einen Lebensraum für viele, auch seltene, Tier und Pflanzenarten.

Vielen BRD-Bürger:innen ist noch das 50 Pfennig-Stück in Erinnerung, auf dem Gerda Johanna „Jo“ Werner als Eichenbaum-Planzerin zu sehen ist. Die Malerin und Kunstlehrerin aus Offenbach stand ihrem Mann, Richard M. Werner, für Aktzeichnungen Modell. Für das Motiv, das den Wiederaufbau Deutschlands sinnbildlich zeigen sollte, ergänzte er die Darstellungen um Kleidung und den Eichsetzling. „Die für die Ursprungsgrafik typischen schattenbildenden Konturen der ursprünglich aufgezeichneten Körperpartien sind auch auf der späteren Münzprägung noch sehr gut erhalten und erwecken damit fast den Eindruck von durchscheinender Bekleidung.“

Autor Oliver Geyer ging für das Jugendmagazin Fluter der bpb der Bedeutung der Eiche insbesondere als deutsches Symbol auf den Grund: „Als Setzling war sie auf dem Fünfzigpfennigstück abgebildet, ihr Laub schmückt als Ornament militärische und zivile Orden, und etliche deutsche Gaststätten wurden nach ihr benannt: die deutsche Eiche. Obwohl die Eiche in den verschiedensten Regionen der Welt wächst, galt sie vielen Deutschen lange nicht einfach nur als irgendein Baum. Es war ihr Baum, mit dem sie sich als Nation identifizierten“ – mehr noch, als nach der gescheiterten Revolution 1848/49 eine nationale Projektionsfläche gebraucht wurde. (…) Für die enge Verbindung von Land und Bäumen gab es bereits eine Tradition. Wenige Jahre zuvor hatte der Märchensammler und Philologe Jacob Grimm in seiner „Deutschen Mythologie“ die Eichen als Orte eines ursprünglichen „altdeutschen Waldcultus“ dargestellt.“

© Willberg

© Isolde Monson-Baumgart 

Joseph Eichendorff hat Bäume und Wälder in seinen Gedichten gerühmt, und so hat die Post ihm zum 100. Todestag und zum 200. Geburtstag jeweils eine Marke zugedacht.

Dass auch andere Länder die Eiche als philatelistischen Motiv schätzen, zeigen die Richard-Ebert-philaseiten im Internet, doch auch als Songmotiv gelangte der Eichenbaum zu einiger Verbreitung: Das Lied „Tie a Yellow Ribbon Round the Ole Oak Tree“ erzählt die Geschichte eines Gefangenen, der seine Liebste vor der Haftentlassung bittet, ihm im Heimatort ein gelbes Band in die Eiche zu binden, damit er, vom Bus aus, sehen könne, ob sie auf ihn gewartet habe. Und tatsächlich – es sind Hundert dieser Bänder in die Äste der Eiche geschlungen. Das Lied war ein Nummer 1 Hit in den Charts, sowohl in den USA als auch in GB und in Australien.   

Man möchte auch der schönen 110 Cent-Briefmarke, gestaltet von Kym Erdmann in Kiel nach einem Foto von Günther Bayerl, großen Erfolg wünschen. Denn auch wenn die Deutsche Post nicht mehr Post heißen soll – eine Eiche bleibt eine Eiche bleibt eine Eiche! Ob junge Bäume allerdings noch ein so hohes Alter erreichen können – das hängt davon ab, wie die Menschen mit der Welt und der Natur umgehen.

https://www.peter-wohlleben.de

 

https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=5423&full=1

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Bilderstrecken/Sondermarken/Programm_2023/Juli-2023.html

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