Heinrike Paulus

Was an einen Agentenfilm im Kino erinnert, war Realität für den früheren Radioreporter des Bayerischen Rundfunks (BR) Eberhard Schellenberger: 1984 reiste er zum ersten Mal privat in die DDR. Zusammen mit seiner Frau besuchte er Brieffreunde in der Oberlausitz. Von nun an war der Journalist aus Unterfranken im Visier der Stasi. Verfolgt wurde das Paar etwa von einem schwarzen Auto, das ihnen bis zu einer Gaststätte nachfuhr. „Kurz nach uns betraten zwei Männer den Gastraum und setzten sich an den Nachbartisch. Wir konnten das Lachen nicht verbergen, denn es war wie in einem Agentenkrimi. Die beiden trugen lange Trenchcoats, steckten über ihren Gläsern die Köpfe zusammen und verhielten sich unauffällig auffällig.“

Die Stasi legte Akten über den „Staatsfeind“ an, zwei wurden es, eine mit 400 Seiten. Seitenweise minutengenaue Beobachtungsberichte, abgehörte Telefonate, mitgeschnittene Rundfunkbeiträge oder komplette Persönlichkeitsbilder fanden sich nach dem Mauerfall Dokumenten mit den Decknamen „Antenne“ und „Journalist“.

Die Situation in der DDR zwischen 1984 und 1990 wurde für Schellenberger journalistisch und privat zu seinem „Lebensthema“. Seine Erinnerungen an die deutsch-deutsche Geschichte und an Pressereisen in die DDR hat der Zeitzeuge in einem lesenswerten und spannenden Buch für die Nachwelt dokumentiert. Nach vielen Jahren durchkämmte er dafür noch einmal die Stasi-Akten, holte alte BR-Sendungen aus dem Archiv und suchte Notizen und Fotos heraus: „Es war ein Ausflug in eine andere Welt, so unwirklich. Manchmal glaube ich gar nicht, dass ich das bin, von dem da die Rede ist, dessen Telefonanrufe mitgeschnitten und dessen Beiträge abgehört wurden.“ Nicht nur in der DDR, sondern auch in seiner Heimatstadt Würzburg hatte ihn die Stasi auf dem Radar. Und in den Ferien am Plattensee waren es Jura-Studenten, die ihn ausspionieren sollten. Mit dem Mikro war Schellenberger aber auch Live dabei, als sich in der Nacht zum 3. Oktober 1990 die Menschen in den Armen lagen. „Wer jetzt nicht wach ist, der ist tot“ war eines der emotionalen Statements, die er einfing.

 

Eberhard Schellenberger: Deckname Antenne. Als Journalist im Visier der Stasi, echter Verlag, Würzburg 2022, 196 Seiten, Euro 19,90, ISBN 978-3-429-05769-5

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