Diese Briefmarken haben Sie nie gesehen? Kein Wunder, sie wurden auch nicht realisiert. Leider, möchte man sagen, denn die Idee, auf einer Briefmarke der deutschen Post unterschiedliche Sprachen zu sehen, hätte vielleicht einige Menschen zusätzlich animiert, sie zu kaufen und einen Brief in ihr Herkunftsland zu schicken. „Miteinander leben“ war das Motto, zu dem auch Sibylle und Fritz Haase eingeladen waren, eine Marke zu entwerfen. Sie waren 1994, als das Thema ausgegeben wurde, schon „alte Hasen“ in dem Metier, hatten bereits Ende der 1970er-Jahre 24 Marken für die Jugendmarken-Serie zur Geschichte der Luftfahrt entworfen.  

© Sibylle Haase                                

Gewonnen hat ein weiterer Entwurf des kreativen Paares. Obwohl für diese Marke, die ein besonderes Anliegen transportieren sollte, mehr Gestalter als üblich eingeladen waren, überzeugte am Ende der Entwurf der Haases den Kunstbeirat der Bundespost. Unter 57 Einsendungen entschieden sie sich für die gelungene Umsetzung einer relativ „einfachen“ Idee für ein schwieriges Thema.

Nach der Wiedervereinigung hatten die Übergriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund deutlich zugenommen, bei rassistisch motivierten Anschlägen wie am am 23. September 1992 in Mölln starben mehrere Personen, nach Ausschreitungen in Hoyerwerda 1991 und 1992 in Rostock-Lichtenhagen stellten sich Fragen nach der Haltung von Bürgern und Polizei gegenüber Mitbürgern aus anderen Herkunftsländern.

„Miteinander Leben“ wurde zur schönsten Marke des Jahres 1994 gekürt und erhielt weitere Auszeichnungen.

Zum Metier Philatelie waren Fritz und Sibylle Haase gekommen, nachdem in der internationalen Zeitschrift Graphis 1976 ein Beitrag über ihre Arbeit erschienen war. Der Chefredakteur Hans Kuh war Mitglied des Kunstbeirats der Deutschen Bundespost und schlug die Haases für den Kreis derer vor, die Briefmarkenentwürfe schufen.

1978 gewannen sie den ersten Wettbewerb – ein Traumauftrag war es, die 24 Flugzeuge, Zeppelin und Gleiter im kleinen Format umzusetzen und dabei penibel die Realität mit genauer „Anzahl der Fenster“, „richtiger Antrieb“ und anderen Details zu beachten.

Auf den ersten „Coup“ folgte bald der „zweite große Hit“, die Dauermarkenserie „Sehenswürdigkeiten“ ab 1987, die fortgeführt wurde bis ins Jahr 2003. Daneben ICE oder Rettungsboot, Märchen oder Design – es gibt kaum ein Thema, zu dem den Haases nicht das Passende einfällt.

Besonders gelungen ist in meinen Augen die Marke zur ersten Trägerin des Friedensnobelpreises, Berta von Suttner, deren Antikriegsroman „Die Waffen nieder“ zunächst mehrfach von Verlagen abgelehnt worden war, dann aber nach dem Erscheinen 1889 im Verlag Edgar Pierson in Dresden ein Erfolg wurde. In viele Sprachen übersetzt, gehört es mit „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque zur bedeutenden Antikriegsliteratur.

Ebenso geglückt in der schlichten Umsetzung ist die Marke, die ein Gemälde von Gerhard Richter zeigt: „Das Seestück als ‚Star‘ der Briefmarke“, so war es gewünscht. Im Einverständnis mit dem Maler leicht beschnitten, bringt der gezeigte Ausschnitt auf der Marke das Werk optimal zur Geltung.

Haase & Knels (Hg.): … und ab die Post. Fünf Jahrzehnte Briefmarkengestaltung für die Post, Bremen 2021

Das Buch ist zu beziehen über die Herausgeber unter: www.haase-und-knels.de

Lit.: Bodo Harms: Sehenswürdigkeiten für Millionen. Die Briefmarkengestalter Sibylle und Fritz Haase aus Bremen, in: DAS ARCHIV, Heft 1/2006

 

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