Mit 50.000 Orgeln hat Deutschland die höchste Instrumentendichte weltweit – seit 2017 gehört dieser Reichtum zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Doch es braucht vielerorts Engagement und Enthusiasmus, um die musikalischen Denkmäler zu retten. Auch in Mannheim hat sich zum Erhalt der Orgel in der ältesten Kirche der Stadt, in St. Sebastian am Marktplatz, eine Initiative gegründet.
Die Orgel in St. Sebastian
Foto: Subbass1, 2021 (Bild nicht verändert, CC BY-SA 4.0 DEED)
„Jede Orgel ist ein Unikat, weil sie einzig für den architektonischen Raum erbaut wird, in dem sie erklingen soll. Das für den Orgelbau und die Orgelmusik notwendige hochspezialisierte Wissen und die besonderen Fertigkeiten wurden von Handwerkern, Komponisten und Musikern über Jahrtausende entwickelt. Die Orgelkultur ist eine traditionelle Kulturform, die in Deutschland eine wichtige Basis hat. Zahlreiche lokal- und regionalspezifische Orgelbaustile, vielfältige Kompositionen und Aufführungsformen sowie Ausbildungsmöglichkeiten an Hochschulen und kirchlichen Einrichtungen zeigen, wie lebendig die Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik hierzulande ist. Die beteiligten Akteure demonstrieren täglich in beeindruckender Weise, wie Tradition und Innovation im Einklang gelingen können.“ Professor Dr. Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, unterstrich 2017 mit diesen Worten die Entscheidung, Orgelbau und Orgelmusik in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufzunehmen.
Auch Monika Grütters, zu der Zeit Staatsministerin für Kultur und Medien, hob die Bedeutung des Orgelspiels als wichtigen Teil des Musiklebens hervor. Im Herbst 2018 konnten dann Vertreterinnen und Vertreter von Orgelbauern und Orgelmusikern die UNESCO-Urkunde zur Auszeichnung als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit entgegennehmen.
Seit dem Jahr 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt von Kulturformen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, insgesamt über 390 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Naturwissen aus aller Welt, darunter Geigenbau im italienischen Cremona, Yoga aus Indien, Keramik in Uzbekistan oder jüngst die manuelle Glasfertigung, wie sie in Waldsassen in der Oberpfalz noch praktiziert wird.
Das Alte Rathaus (links) und Kirche St. Sebastian am Marktplatz Mannheim
Foto: Hubert Berberich, 2014. CC-BY 3.0
Voit-Orgel in St. Sebastian
50.000 Orgeln in einem Land, davon viele in die Jahre gekommen, wie kann man sie erhalten? In St. Sebastian stammte die erste Orgel, die bis 1872 benutzt wurde, vom Frankfurter Orgelbauer Johann Friedrich Macrander. 1875 stellte man das folgende Modell, das zuvor auf der Ausstellung „Kunst und Gewerbe“ in Karlsruhe gezeigt worden war und vom Durlacher Orgelbauer Louis Voit & Söhne stammt, in St. Sebastian auf; die folgende dreimanualige Orgel, ab 1961 in Betrieb, baute die renommierten Orgelbaufirma Klais aus Bonn. Sie übernahm, so die Angaben in Wikipedia, den vorhandenen Orgelprospekt, fügte diesem zwei Seitenflügel an und beließ auch die Holzpfeifen der Voit-Orgel, so dass die Orgel durchaus als „ältestes Instrument seiner Art in den Quadraten“ gelten darf. Dennoch werden die Umbauten „im Geist der Orgelbewegung“, durch die man sie einem „barocken Klangbild“ annähern wollte, heute kritisch betrachtet. Das Gehäuse aber, entworfen vom Mannheimer Architekten Philipp Bender, ist nahezu makellos erhalten, was Fotografien des Instruments bezeugen. „Auch große Teile des Pfeifenwerkes, alle Windladen und Fragmente der Windkanalanlage sind ebenso erhalten, aber stark renovierungsbedürftig“, heißt es auf einer Internetseite der Mannheimer katholischen Kirche. Aufgrund technischer Mängel und veralteter Elektrik ist die Orgel daher nicht mehr spielbar.
Orgel retten – jede Spende hilft
Dass die fachgerechte Restaurierung- und Rekonstruktionskunst der Orgel erforderlich, daran besteht kein Zweifel. Der Erzbischöfliche Orgelinspektor Kirchenmusikdirektor Georg Koch hat dazu ein nachhaltiges Konzept vorgelegt, das die besondere Historie des Instruments und seinen Standort in Mannheims ältester katholischer Kirche berücksichtigt. Dass dies möglich wird, dafür will eine Initiativgruppe zu Rettung der Orgel von Sankt Sebastian mit Spenden-Aktionen, Pfeifenpatenschaften, Orgelschnupperkursen, Orgelführungen und zahlreichen weiteren musikalischen Veranstaltungen sorgen. Und ganz konkret: „Ab Januar 2025 wird die Orgelbauwerkstatt Lenter aus Sachsenheim das Instrument Stück für Stück demontieren. Noch vorhandene Originalteile sollen wiederverwendet werden. Die Orgel wird klanglich die originale Größe mit zwei Manualen und Pedal bei 22 Registern haben. Daher muss auch der Spieltisch rekonstruiert werden. […] Danach könnte die Orgel dem Original von 1875 wieder ganz nahe kommen und womöglich, so die Verantwortlichen, im Frühjahr 2026 wieder erklingen.
Wir informieren über das Projekt auf Bitte von Roswitha Niedermeier hin, die der Initiativgruppe zur Rettung der Orgel von St. Sebastian angehört, aber auch im Freundeskreis des TECHNOSEUM aktiv ist. Für weitere Informationen wenden Sie sich gern per Mail an Frau Niedermeier niedermeier.komm-verband@t-online.de, weitere Informationen finden Sie unter
https://www.kathma-johannes23.de/kirche/der-musikliebhabenden/orgel-st-sebastian-jetzt-retten/
Christian Schmied: Die deutsche Orgellandschaft als kulturelles Erbe. Der musikalische Mittelpunkt des Dorfes, unter:
https://www.concerti.de/vermischtes/die-deutsche-orgellandschaft-als-kulturelles-erbe/
https://miz.org/de/beitraege/zwischen-liturgie-und-konzertsaal-die-orgel
https://www.orgelbau-lenter.de/index.php
https://www.youtube.com/watch?v=rtii2F8moE4