Vor zehn Jahren erschien das Buch „Frauen und Grafikdesign“ der Designhistorikerin Gerda Breuer und der Kommunikationsdesignerin Julia Meer. Es wurde vorgestellt im magazIn, der halbjährlich erscheinenden Zeitschrift der Gleichstellungsbeauftragten der Bergischen Universität Wuppertal: „Informelle Umfragen unter jungen GrafikdesignerInnen vermitteln den Eindruck, als sei die Problematisierung gleicher Chancen von Frauen in ihrem Fach überholt und die Behauptung, es gäbe (immer noch) strukturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern, obsolet. Der gegenwärtige Gesellschaftsvertrag unter neoliberalistischem Segel gilt als geschlechtermodernisiert, das heißt alte feministische Ziele scheinen ihnen darin längst integriert.“ Und weiter: „Es gilt geradezu als Stigma, in die Nähe dieser Fragen gebracht zu werden, die Befürchtung wird gehegt, dass sie von der Qualität ihrer Arbeit ablenken.“

Ebenfalls vor 10 Jahren präsentierte das amerikanische Postal Museum auf seinem Blog die erste Frau, die in Amerika eine Briefmarke entworfen hat: Elaine Rawlinson. Sie war, so heißt es da, eine „Erste“ in vielfacher Hinsicht und vor 1938, als ihr Entwurf des Konterfeis von George Washington unter über 1000 Vorschlägen ausgewählt wurde, sei nicht eine einzige Marke von einer Frau entworfen worden; Männer dominierten das Metier, und einige ihrer Namen finden sich wieder und wieder im Katalog der US-Briefmarken. Die nächste Marke einer weiblichen Designerin erschien in den USA erst 25 Jahre später, als die Malerin Lily Spandorf die Weihnachtsmarke 1963 gestaltete. Briefmarkendesign, so resümiert die Autorin Melody Parker, blieb „a mans business“ für lange Zeit. Helen Roberta Fitzgerald, die erste Frau, die 1959 für die kanadische Post eine Marke gestaltet hat, brachte es nach ihrer „Associated Country Women of the World“-Briefmarke auf sechs weitere Entwürfe.

A mans business – ein Männerberuf und -geschäft war das Briefmarkenentwerfen auch in Europa: In Frankreich dauerte es bis 1967, ehe Cécile Guillame eine erste Marke für Monaco und 1973 für Frankreich gestalten konnte; in Liechtenstein war es die Künstlerin Regina Marxer, die als erste Frau 1975 eine beeindruckende Briefmarke für ihr Land entwarf, zum Thema „30 Jahre Liechtensteinisches Rotes Kreuz“. In Deutschland waren in der NS-Zeit Maria von Axster-Heudtlass und ihr Mann als Gestalter, auch für Briefmarken, bekannt, darunter 1938 eine Marke zum 100.Geburtstag von Graf Zeppelin, sowie Emmy Glintzer mit dem Motiv für die Marken „Die Saar kehrt heim“ von 1935.

In der DDR kam am 6. Mai 1959 der Satz zum 100. Todestag Alexander von Humboldts nach Entwürfen von Gertraud Thieme an die Postschalter, im Westen gehörten Erna de Vries und „die Janoat“ zu den Entwerferinnen, die das Markenbild ab den 1970ern mitprägten.

Lu Tianjiao heißt die chinesische Künstlerin, die Richard Scott Morel, der Kurator der British Library`s Stamp Collections, vor einiger Zeit als erste weibliche Briefmarkendesignerin des Landes würdigte. Lu Tianjiao schloss 1954 ihr Studium bei bekannten Gestaltern und Briefmarken-Entwerfern ab und arbeitete danach in der Briefmarkenentwurfs- und -ausgabe-Abteilung des Ministeriums für Post und Telekommunikation. In den folgenden fast 50 Jahren war sie, verheiratet mit einem Design-Kollegen, an der Herstellung von 70 verschiedenen Ausgaben mit über 260 verschiedenen Entwürfen beteiligt.

Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Frauen im Grafikdesign gleichberechtigt arbeiten können, aber signifikanter Aufholbedarf herrscht ist es spannend, einen Blick in den Bereich der Briefmarkengestaltung in Deutschland zu werfen.

Die Internetseite https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Briefmarkenkünstler_(Deutschland)

listet Grafiker und Grafikerinnen auf, die für die Deutsche Post Briefmarken entworfen haben oder entwerfen. Die Liste beginnt mit Albrecht Ade, dem Gründer und künstlerischen Direktor der Filmakademie Baden-Württemberg, gefolgt von René Ahrlé, der als erster Grafiker in Deutschland die Fotografie grafisch ausgewertet und ab 1925 Fotografien als darstellerische Mittel verwendet hat. An dritter Stelle Dieter von Andrian, von dem der eine oder die andere noch die Weihnachtsmarke aus dem Jahr 1976 in Erinnerung haben könnte.

Gerd Aretz (1930−2009) ist einer derjenigen Grafiker, die über Jahrzehnte hinweg und sehr erfolgreich für die Bundespost tätig waren: mit etwa 150 nach seinen Entwürfen ausgeführten Briefmarken, darunter die Serie „Frauen der deutschen Geschichte“. Es übertreffen ihn an verausgabten Marken den Zahlen nach nur wenige, darunter Joachim Rieß, der über 230 Briefmarken entwarf; den Großteil davon in der DDR, wo er von 1965 bis 1992 mit Manfred Gottschall − den wir am 3. Oktober mit einem Blog-Beitrag gewürdigt haben − und mit Hans Detlefsen als Grafik-Trio zusammengearbeitet hat.

Frauen, die mit vergleichbaren Zahlen aufwarten könnten, sind rar. Sibylle Haase hat mit ihrem Mann 1963 ein Atelier für Gestaltung gegründet und seit 1978 entwerfen sie gemeinsam auch Briefmarken. „Und ab die Post … – fünf Jahrzehnte Briefmarkengestaltung für die Post“ heißt das Buch, in dem sie 2022 zurückblicken auf rund 130 Marken, die seither erschienen sind, und auf die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die kleinen Kunstwerke. (Eigenverlag, unter www.haase-und-knels.de/arbeiten/briefmarken/)

Über die erste der unter A genannten Frauen unter den gelisteten Künstlern und Künstlerinnen weiß Wikipedia vor allem Privates: Maria von Axster-Heudtlass, mit vollem Namen Maria Viktoria Thekla Edle von Axster-Heudtlass, stammte aus einer Familie des niederen Adels, hatte vier Geschwister und war viermal verheiratet, und zusammen mit ihrem vierten und vierzehn Jahre jüngeren Mann startete sie 1925 ein Atelier für Grafik und Werbung. Ihre Briefmarken waren vor allem Propaganda für die Nationalsozialisten, für die das Paar auch Plakate entwarf.

Insgesamt sind unter den rund 150 Gestaltern und Gestalterinnen der Liste 16 Frauen; man darf hoffen, dass sich auf Wikipedia aktive Personen erbarmen und das Verhältnis zu Gunsten der Frauen verbessern.

Zu den gelisteten 16 Künstlerinnen gehört Anna Berkenbusch, Jahrgang 1955; sie betreibt in Berlin das Atelier „Anna B. Design“ und hat sich unter anderem mit Filmplakaten einen Namen gemacht; nach einigen Teilnahmen an Wettbewerben ist sie nun Mitglied im Kunstbeirat für Postwertzeichen im Bundesministerium der Finanzen. Hannelore Heise schuf unter anderem Marken für die Post der DDR und 2002 die Sondermarke „Gartenreich Dessau-Wörlitz“ der Reihe Weltkulturerbe der UNESCO, die zur schönsten Marke Deutschlands und 2003 zur schönsten Briefmarke Europas gewählt wurde.

„Die Janota“, (1912−2012) hat Andreas Hahn im ARCHIV vorgestellt: „die Grafikerin Elisabeth von Janota-Bzowski“ – wie sie mit vollem Namen hieß – „starb nur wenige Monate vor ihrem einhundertsten Geburtstag. Als sie im Jahr 1977 erstmals eine Briefmarke für die Deutsche Bundespost gestaltete, war sie bereits eine reife Künstlerin und in einem Alter, in dem andere Menschen über den nahen Ruhestand nachdenken. Elisabeth von Janota-Bzowski aber entwarf in den folgenden Jahrzehnten noch fast vierzig Briefmarken für die Deutsche Post. Spät im Leben entdeckte sie ein Betätigungsfeld, das ihr Erfolg und Anerkennung brachte und sich wie selbstverständlich an ihre früheren Arbeiten als Werbegrafikerin anschloss. Mit Marken urdeutscher Motive, so zu Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin, den Gebrüdern Grimm, Friedrich dem Großen oder Clausewitz wurde sie zur stilbildenden Größe unter den deutschen Briefmarkengrafikern. Wohl selten war die banale Weisheit, dass ein Land sich auf seinen Briefmarken nach innen und nach außen in seinem Selbstverständnis präsentiert, so zutreffend wie in diesen Jahren.“

Die Grafikerin Elisabeth von Janota-Bzowski in ihrer Wohnung in Düsseldorf

© Foto Andreas Hahn

1960 in Berlin geboren ist Kitty Kahane, die eine Ausbildung als Buchgestalterin und ein Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee absolviert hat, ehe sie als freiberufliche Gestalterin zu arbeiten begann. Es gibt Tassen, Tücher, Teppich und Tarotkarten mit ihren spielerisch anmutenden Entwürfen, und ihre Briefmarkenentwürfe zu beispielsweise 150 Jahre Alpenverein oder zu Jugend musiziert, letzter 2013 in einer Auflage von 6,4 Millionen vom Finanzministerium realisiert, sind auch als großformatige Plakate oder Stoffe denkbar.  

Die Hamburger Illustratorin Regina Kehn hat nicht nur Pixi-Buch Nummer 2500 gestaltet und viele weitere Bilderbücher und hat Bücher von Michael Ende, Cornelia Funke und Otfried Preußler illustriert; aus ihrer Feder stammen, seit 2015, auch Briefmarken für die Post, darunter die „Anlässe“-Briefmarken zum Geburtstag, zum Gedenken, zur Hochzeit, zu Weihnachten und als Einladung.

Für Briefmarkenfreunde und -freundinnen fast eine Ikone: der Eichstaett-Brief, verfasst in Straubing am 13. November 1850, gesendet an das „Comité für die Gewerbeausstellung in Eichstaett“, gezeichnet von J. Arnold, Magistrats Registrator, und folgenden Inhalts: „Schon unterm 5 October d. J. hat man für die an den Herrn Bürgermeister Kolb dahie gesendeten 30 Stk. Loose zu jenseitiger Ausspielung N° 1741 bis 1770 den Geldbetrag mit 6 f [Gulden] 45 x [Kreuzer] übermacht, allein bis jetzt noch keine Empfangsbestätigung erhalten. Am 27 October d. J. hat man das Loos N° 1762 in Original jenseitigem Comité zugesendet und um Hiehersendung des auf diese Nummer gefallenen Gewinnstes gebeten; allein man befindet (sich) auch hierauf noch ohne alle Antwort. Man muß nun auf Andringen des Eigenthümers dieses Looses dringend um Aufklärung mit umgehender Post ersuchen.

Das Original des Briefes wurde 1969 in Eichstätter Archivunterlagen entdeckt und ist mit dem einzig bekannten Sechserblock des Schwarzen Einsers und damit der ersten deutschen Briefmarke frankiert. Er wurde für 125 000 Mark an das Bundespostministerium verkauft und befindet sich im Archiv für Philatelie der MSTP. Zum Tag der Briefmarke als Briefmarkenmotiv erkoren für 2009, hatte die Post sich für einen Entwurf der Grafikerin Ursula Lautenschläger entschieden, die zuvor 1991 mit Marken zu sorbischen Sagen den Briefmarken-Gestaltungswettbewerb gewonnen hatte.

Dorothea Fischer-Nosbisch (1921−2009) schuf die Marke zum Tag der Briefmarke 1991, die den Zusteller mit Kahn im Spreewald zeigt; bekannt sind von ihr überdies Plakate, die sie mit ihrem Mann Fritz Fischer entwarf, so zu den Filmen „Zwölf Uhr mittags“ (1959) „Das Schweigen“ und „Der blaue Engel“ von 1964. Ingeborg Friebel Briefmarken (1925−1978) war in der DDR eine bekannte Kinderbuchillustratorin und entwarf zahlreiche Briefmarken für die Deutsche Post. Unter den 39 von ihr zwischen 1957 bis 1968 gestalteten Marken waren zwei Trachten-Motive-Serien mit zusammen 16 Marken. Wie Friebel hat Lilo Fromm viele Kinderbücher illustriert und teils selbst geschrieben, 1967 bekam sie den Deutschen Jugendbuchpreis für die Illustration des Märchens „Der goldene Vogel“. 

Noch Ende des 19. Jahrhunderts wurde Emmy Glintzer 1899 in Kassel geboren. Die Malerin und Grafikerin studierte unter anderem bei Ernst Körner, Max Slevogt und Max Liebermann; doch während Liebermann 1935 zu Grabe getragen wurde und seine Kunst aus den Museen entfernt, seine Tochter ins Ausland floh und seine Frau sich einige Jahre später der Deportation durch Freitod entzog, entwarf Eugenie Mathilde Emma Glintzer 1935 die Briefmarkenserie „Die Saar kehrt heim“ für die Reichspost und arbeitete von 1940 bis 1945 als Referentin für Kunst beim Reichspostministerium. Nach dem Krieg zog sie nach Eberbach, wo sie unter anderem Postkarten gestaltete und 1992 verstarb. Ein Teil ihres Nachlasses befindet sich in der Sammlung der MSPT.

Kein Nachlass, aber doch ein sehr berühmt gewordener Entwurf der Grafikerin Antonia Graschberger befindet sich ebenfalls in der Sammlung der MSPT – im Archiv für Philatelie in Bonn. Die Münchner Grafikerin wurde 1982 von einem Referenten der Post in den Kreis der Briefmarkengestalter eingeladen und nahm in den folgenden 30 Jahren an 144 Wettbewerben teil, von denen sie 32 mit insgesamt 55 Marken nach ihren Entwürfen gewinnen konnte. Sie gestaltete „Idole der Rock- und Popmusik“ mit Buddy Holly, Elvis Presley, Jim Morrison und John Lennon und Marken mit Schauspielern und Schauspielerinnen, darunter auch die legendäre Hepburn-Marke, die nach Protesten der Hepburn-Familie nach dem Druck vernichtet werden musste.

Isolde Monson-Baumgart (1939−2011) war international als Grafikerin bekannt; vor allem für ihre Filmplakate, die Filmmuseen in Düsseldorf und Frankfurt in der Ausstellung „Film Kunst Grafik“ zeigten. Für die Deutsche Bundespost Berlin entwarf sie die Serie mit Musikinstrumenten sowie 1973 für die Deutsche Bundespost eine Weihnachtsmarke.

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