Foto: Bundeskunsthalle Bonn / © Simon Vogel, 2024
Eigentlich arbeitet der Künstler Mark Dion am Thema der Repräsentation von Natur. In London hat er in einer Ausstellung eine Bücherei für Vögel eingerichtet − weil er meint, es wäre besser, wenn sie lesen würden, denn es gebe eine Menge, was sie wissen sollten. Er bringt Kunst und Natur in seinen Werken in Verbindung – wie es auch einige Museen tun. Das „musée de la chasse et de la nature“ in Paris zeigt das Verhältnis der Menschen zum Tier und zur Natur durch die Jahrhunderte und kann sich dabei auf eine außergewöhnliche Kunstsammlung von alter und zeitgenössischer Kunst stützen. Oder das wunderbare Museum Wiesbaden, das in der Dauerausstellung der Naturhistorischen Sammlungen unter dem Thema „Ästhetik der Natur“ eine Brücke schlägt zwischen Kunst und Natur.
Aber was heißt schon eigentlich. Dion wurde 1961 in den USA, in New Bedford, Massachusetts, als Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Er war zunächst Restaurator, ehe er in New York Kunst studierte und währenddessen als Assistent des Künstlers Ashley Bickerton tätig war. Dion ist Künstler, und er ist Sammler aus Leidenschaft. Fast obsessiv trägt er Objekte, Skulpturen und Fotografien zusammen und arrangiert sie zu Installationen, die Wunderkammern oder naturgeschichtlichen Ausstellungen ähneln. Immer wieder laden Museen oder Institutionen ihn ein, ihre Sammlungen neu zu arrangieren und präsentieren – Taxonomie, versetzt mit einem Hauch künstlerischer Freiheit. So auch, anlässlich ihres 250jährigen Jubiläums im Jahr 2014, die Kunstakademie Dresden. Dion entwickelte dort ein Projekt, das er „die Akademie der Dinge“ nannte und das die Sammlung der Akademie in neuem Licht präsentierte – an unterschiedliche Orte in Dresden. Klassisch arrangierte Sammlungen verwandelt Dion in Kunstlaboratorien und macht Dinge sichtbar, die bisher innerhalb der strengen naturwissenschaftlichen Klassifizierung verborgen blieben.
In Wien hat er in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Lebenswissenschaften und dem Botanischen Garten der Universität für das Foyer des Biologiezentrums ein Vivarium konzipiert. „In einer Art Gewächshaus ruht ein aus dem Ökosystem der Baustelle entfernter Baumstamm, der in das universitäre Forschungsfeld transferiert wurde. Es schafft damit eine Verbindung von Innen und Außen, Vergangenheit des städtebaulichen Umfelds und der Gegenwart der wissenschaftlichen Einrichtung und dient als Identifikationszeichen des Gebäudes als modernes Biologieforschungszentrum.“
Der Baum, zugleich tot und lebendig, repräsentiert Natur. Langsam zerfällt er innerhalb des geschlossenen Systems in der Glasvitrine. „Der fortwährende Zerfall des Baumes und seine Erneuerung repräsentieren die Natur als ein komplexes System von Zyklen und Prozessen und fördern unser Verständnis von den Prinzipien des Lebens und der Evolution.“
Foto: Kürschner/Wikipedia
Ein vergleichbares Projekt, das „Vivarium“, realisiert Dion im Düsseldorfer Hofgarten. Auch hier befand sich − im Rahmen der Kunstweges „hell-gruen“, in einer überdimensionierten Glasvitrine ein alter verrottender Baum. Am 19. Juni allerdings spielte die Natur dem Künstler gewissermaßen einen Streich: Bei einem heftigen Unwetter stürzte ein Baum um und zerstörte das Werk.
Fotos: Bundeskunsthalle Bonn / © Simon Vogel, 2024
Ein jüngstes Ausstellungsprojekt in Deutschland zeigt nun – nach der ersten Schau in Berlin − in der Bundeskunsthalle Teile der über 70 000 Objekte umfassenden Spielzeugsammlung des Stadtmuseums Berlin, eine der größten ihrer Art in Deutschland. Monatelang erkundete Dion die riesigen Bestände und trug zunächst für eine Ausstellung in der Berliner Museum Nikolaikirche „einen einzigartigen Fundus von Puppen, Tieren, Fahrzeugen und Spielsachen aller Art aus unterschiedlichen Zeiten und Materialien zusammen“. Die Ausstellung sei, so die Bundeskunsthalle, „ein begehbares Gesamtkunstwerk, eine Art Wunderkammer“. Hierher lädt der Künstler in sein fantastisches Reich und wirft gleichzeitig einen kritischen Blick auf eine der ältesten Kulturtechniken der Welt.
Bei seiner Arbeit lässt sich Mark Dion von dem uralten Spieltrieb der Menschen leiten: Spielend begreift der Mensch die Welt und verwischt dabei die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Die gezeigten Installationen und Themenräume entziehen sich einer strengen Ordnung und Chronologie, sie folgen ästhetischen Vorlieben und freien Assoziationen. Die Spielzeuge scheinen ein Eigenleben zu führen: Sie versammeln sich zu geheimnisvollen Zusammenkünften, erzählen eigene Geschichten und ziehen so alle Generationen der Besucher*innen-Generationen in ihren Bann.
Parallel und noch bis Ende Oktober ist die Ausstellung „Interactions 2024“ zu sehen, in der es ebenfalls um Spielerisches geht: „Alle teilnehmenden Künstler*innen sind an Ausdrucksformen und Techniken interessiert, die die mögliche Distanz zur Kunst abbauen und Menschen in unserer komplexen diversifizierten Gesellschaft vielleicht leichter in Austausch treten lassen. Mit Interaktionen, Interventionen, auch möglichen Irritationen laden wir Sie ein, an der Kunst spielerisch teilzuhaben und in den Austausch zu treten.