Von der Morsetaste zum Satellitenfunk

100 Jahre Seefunk in Deutschland

Ausgabe

Post- und Telekommunikationsgeschichte 1999/1

Autor: Detlef Hechtel

Seiten: 50-66

Fortsetzung und Schluß zum Beitrag in Heft 2/98, S. 47-66.

Eine besondere Laufbahn der Schiffsoffiziere war die des Funkoffiziers. Er hatte seine Kammer meist direkt neben dem Funkraum hinter der Kommandobrücke. Eine konsequente Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich bestand für ihn nicht; er war deshalb „ständig auf Wache“, denn die Tür zum Funkraum stand offen und die Empfänger waren auch während der Freiwache eingeschaltet. Der Beruf des Funkoffiziers wurde im Laufe der technischen Entwicklung zu einer Schlüsselposition an Bord. Er war dem Kapitän direkt unterstellt und ihm gegenüber verantwortlich. Dieser machte oft seine nautischen und wirtschaftlichen Entscheidungen (z.B. Kursbestimmung und/oder Kursänderungen) unmittelbar von den Nachrichten abhängig, die ihm der Funkoffizier vorlegte. War das Schiff einmal in See, lief die gesamte Kommunikation von und nach Land und zu anderen Schiffen über die Funkstation. Daraus ergab sich zwangsläufig ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Kapitän und verlangte vom Funkoffizier ein hohes Maß an Verantwortung für die Gesamtabläufe innerhalb des Schiffsbetriebes. Die strikte Wahrung des Fernmeldegeheimnisses wurde von Kapitän und Reederei vorausgesetzt und nicht bezweifelt.

Bereits mit den ersten kommerziell betriebenen Funkanlagen auf Seeschiffen kam ein neuer Berufsstand an Bord: der „Bordtelegrafist“. Da die Betriebsabwicklung in den Anfangsjahren dem eines Telegrafenbeamten an Land sehr ähnlich war, behielt man diese Berufsbezeichnung zunächst bei. Die Einordnung innerhalb der Besatzung eines Schiffes in der von den Traditionen der Segelschiffahrt stark geprägten Bordhierarchie und dem in der damaligen Zeit üblichen Standes- und Statusdenken war zunächst sehr schwierig. Viele Kapitäne standen der „Funkerei“ äußerst skeptisch und mißtrauisch gegenüber, fürchteten sie doch, ihre Unabhängigkeit zu verlieren, denn nun war ihr Schiff nahezu zu jeder Zeit von Land aus zu erreichen. (Die „Zurückhaltung“ gegenüber dem Seefunk haben viele nautische Schiffsoffiziere bis auf den heutigen Tag nie abgelegt.)

(…)