Kaum zu glauben, aber in Deutschland, dem Land der Raser und Lenker, gibt es zahlreiche Initiativen, die sich für gemeinschaftliches umweltfreundliches Fahren stark machen. „Weniger Emissionen, Staus und Kosten“, sind erklärte Ziele derjenigen, die sich im Mitfahrverband e. V. organisieren.

BlaBlaCar und Fahrgemeinschaft.de, fahrmob, FLUX und Ride2go, Mitfahrzentrale und Mitfahrscheibe reihen sich ein in eine lange Liste der Mitglieder des Mitfahrverbands, genauso wie eine lange Reihe privater Unterstützer. Außerdem „die Mitfahrbank“, eine vornehme Bezeichnung dessen, was vielerorts, vor allem auf dem Land in Bayern, eine Möglichkeit sein soll, von A nach B zu kommen – das „Mitfahrbankerl“ oder „Nimm mich mit-Häusle“. Im Osten Deutschlands, im Allgäu und vermehrt in Gegenden rund um München, wo in imposanten Höfen beeindruckend große Land Rover stehen, laden Mitfahrbankerl dazu ein, derartige Fahrzeuge − und andere − besser auszulasten. Einfach schauen, ob da jemand sitzt, anhalten, einladen, weiter. Denn obwohl die meisten Fahrzeuge ausgestattet sind mit 5 Sitzplätzen, zu denen auch Sicherheitsgurte vorhanden sein sollten, sind Pkw auf deutschen Straßen im Durchschnitt mit 1,46 Personen pro Fahrzeug besetzt. Dieser durchschnittliche Pkw-Besetzungsgrad in Deutschland wird im Rahmen des Personenverkehrsmodells des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ermittelt, und die Regierung bezeichnet unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes „höhere Besetzungsgrade von Pkw“ als „wünschenswert“.

Mitnahmebank des „selbstgeschnitzten Nahverkehrs“ in Riegsee und Aidling, initiiert von Johannes Volkmann und im August 2017 von Kindern in einem Sommerferien-Freizeitprojekt gebaut
Foto: SchmiAlf, 2019

Für die Langstrecke: Mitfahrzentralen

Auf kommerziellem Weg versuchen in Deutschland verstärkt seit den 1970er-Jahren Mitfahrzentralen, also organisierte Fahrgemeinschaftsvermittlungen, Kunden zu gewinnen. Dabei handelt es sich um die Vermittlung von privaten, „in der Regel irregulär auftretende beziehungsweise irregulär zusammengesetzte Fahrgemeinschaften für typischerweise weite Strecken unter einander nicht näher verbundenen Personen“, so Wikipedia. Nach der erfolgreich verlaufenen Fahrt bezahlen die Mitfahrenden den Fahrenden einen Anteil an den Benzinkosten. Mit dem Internet veränderte sich die Vermittlung, stationäre Mitfahrbüros wurden obsolet, international agierende Plattformen im Netz übernahmen das Herstellen der Kontakte von Fahrenden und Mitfahrenden. Marktführer ist BlaBlaCar, eine Marke der Comuto S.A. mit Hauptsitz in Paris, gegründet 2006 und heute mit über 70 Millionen Mitgliedern in über 20 Ländern vertreten. „Interessierte Mitfahrer kontaktieren den Fahrer und buchen auf der Internetseite. Sie reisen dann zusammen und der Mitfahrer zahlt dem Fahrer den angegebenen Mitfahrpreis. Bei BlaBlaCar verfügen alle Benutzer über ein persönliches Nutzerprofil. Das soll helfen, passende Fahrer beziehungsweise Mitfahrer zu finden und die Vertrauenswürdigkeit der Mitglieder besser einschätzen zu können.“

Die Vorzüge der organsierten Fahrgemeinschaften liegen auf der Hand: Kostenersparnis, da sich die Benzinkosten auf mehrere Personen verteilen – ohne dass die Fahrer Gewinn machen sollten −, Umweltschutz und die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen; Registrierung und Buchung sind bei den meisten Anbietern kostenlos.

Obwohl man annehmen sollte, dass die Deutschen gern sparen – die Nutzung der Mitfahrzentralen im europäischen Vergleich spricht nicht dafür: 2019 buchten nur drei Prozent der 16- bis 74-Jährigen private Mitfahrangebote über spezialisierte Websites oder Apps, dagegen waren es in Estland 28 Prozent, in Irland 25, in Malta 18, Kroatien 17 Prozent.

Anhalterinnen in Krakau, 2016
Foto: Skelanard, Wikipedia (Bild nicht verändert, CC BY-SA 4.0)

Die zeitgemäße Tramp-Variante?

Für kurze Strecken, von Ort zu Ort in ländlichen Gegenden, ist es nur dann wahrscheinlich, dass sich organisierte Fahrgemeinschaften zusammenfinden, wenn die Touren regelmäßig vonstattengehen. Dann aber, wenn jemand ohne eigenes Auto spontan ins Nachbardorf möchte, in der nahegelegenen Kleinstadt vielleicht etwas einkaufen, aber der Bus kommt erst in einer Stunde – dafür sind Mitfahrbankerl gedacht: als Treffpunkte für spontane Fahrgemeinschaften. „Das Konzept setzt auf ein soziales Miteinander: Menschen, die alleine in ihren Autos unterwegs sind, nehmen andere Menschen mit, die in dieselbe Richtung fahren möchten und kein eigenes Auto zur Verfügung haben.“ Die „sympathische und ökologisch sinnvolle Art des Reisens“ gleicht der des „Trampens“, aufgekommen schon in der Wandelvogelbewegung der 1920er und wiederbelebt in den Sechziger- und Siebzigerjahren in Europa als Möglichkeit, umsonst weiterzukommen. Vorwiegend junge Leute mit Pappschild standen an Autobahnraststätten und am Straßenrand in der Hoffnung auf eine kostenlose Mitfahrgelegenheit, den „lift“.

Die erste Mitfahrbank in Deutschland wurde, glaubt man der taz, 2014 in Rheinland-Pfalz aufgestellt – „als Armutszeugnis ländlicher Infrastruktur“, so die Initiatorin Ursula Berrens, deren Beispiel tausendfach Schule machte. Die Finanzierung der Bänke erfolgt meist durch Gemeinden, und sie brauchen Aufmerksamkeit, um genutzt zu werden. Das System laufe nicht von allein, zitiert die taz Martin Hovekamp vom Mitfahrverband, egal, ob an der Nordseeküste, in Thüringen oder in Oberbayern, wo Gemeinden und lokale Blätter regelmäßig über die „Bankerl-Angebote“ berichten und das Verfahren erläutern: Richtungsschild ausklappen, Warten bis jemand anhält, bei vertrauenerweckendem Fahrer oder Fahrerin Fahrtziel klären, Richtungsschild einklappen, mitfahren. Es könnte so einfach sein. Allein in Bayern gibt es sie in über 50 Kommunen, in Ayarn, Glonn, in Höhenkirchen und Weyarn, oft sogar mehrere Mitfahrbänke, und das Netz dokumentiert zahlreiche Selbstversuche Mitfahrwilliger. Hält wirklich jemand an am „Mosaikstein des gemeindlichen Mobilitätskonzepts“, dem Bankerl, oder ist es nur ländlicher Touristenkitsch zur Imagepflege?

Mobilitätstraum und Wirklichkeit

Die einen sagen so, die anderen so. Zunächst enttäuscht wird BR-Reporter Martin Gruber, der eine Bank im Landkreis Passau testet: von Ruderting aus will er in die Stadt, gibt „PASSAU“ an auf der gut sichtbaren Tafel. Und wartet und wartet. Bis ihn schließlich, nach knapp zwei Stunden, ein junger Mann mitnimmt. Beim zweiten Versuch hat er mehr Erfolg: nach wenigen Minuten hält jemand an und er gelangt umgehend an den Zielort. Häufig steht der euphorischen Darstellung der Gemeinden, die ihr von Künstlern oder Schülern gestalteten Bänke vorstellen, die ernüchternde Erfahrung entgegen bis hin zum „Eigentlich ist das Projekt gescheitert.“ So äußerte sich einem Bericht des Münchner Merkur zufolge Grafings Bürgermeister Christian Bauer (CSU) „auf eine Anfrage am Ende der jüngsten Finanzausschusssitzung“ hin. Denn wie in den Nachbargemeinden hatte sich gezeigt: „Die Bankerl führen allesamt ein Mauerblümchendasein.“ Und nicht nur, dass sie wenig genutzt würden, sie seien auch „Zielscheibe mutwilliger Zerstörung“. Auch Erfahrungen aus Brandenburg zeigen, dass die Bereitschaft, jemand mitzunehmen, höher ist als der Mut, sich auf einer Bank dem hinzugeben, was da kommen mag. Was charmant klingt, nach einer „genialen Idee“, einer Mobilitätsalternative im ländlichen Raum, braucht, um zu funktionieren, vor allem eines: Kommunikation.

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