Als im Januar 1931 in der Deutschen Verkehrszeitung zum 100. Geburtstag Heinrich von Stephans auch dessen Idee eines Poststammbuchs gewürdigt wurde, war der Autor, Oberpostinspektor M. Scherz, allerdings der Auffassung, dass nur noch wenige diese „Sammlung von Liedern und Gedichten, Aufsätzen und Schilderungen“ kennen würden. Das Buch war erstmals 1876 mit einem Umfang von 160 Seiten erschienen: „Wenn dies Büchlein wäre, was es dereinst zu werden gedenkt, eine vollständige Sammlung alles Trefflichen und der Erhaltung Würdigen, was über die Post gesagt und gesungen ist, so würde dasselbe einer Empfehlung bedürfen. Allein es übersteigt die Kräfte Einzelner, eine Blumenlese zu geben, in der aus der gesammelten Literatur nichts fehlt, was gewissermaßen als eine Widmung an die Post angesehen werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es des Zusammenwirkens im größten Maßstabe“, so das kurze Vorwort, demnach keiner verschmähen solle, „aus den Gärten des Schrifttums aller Zeiten die Blüthen, die er der Aufnahme in diesen Blumenstrauß für würdig hält, zu pflücken und unserer Sammlung einzureihen“.

Dieser poetisch formulierten Aufforderung waren offenbar viele Postangehörige gefolgt, sodass bereits zwei Jahre später die dritte Auflage mit 248 Seiten folgen konnte, in der auch „bildliche Darstellungen“ reich vorhanden waren. Offenbar war damit der Hunger nach Lyrik und romantischen Geschichten bei der Post für längere Zeit gestillt, ehe Erwin Müller-Fischer, Archivar des Postmuseums Frankfurt, das Buch 1953 in erneut erweiterter Form herausgab. Ein Reprint erschien schließlich 1983 beim Decker`s Verlag in Heidelberg.

Derzeit – und Autor Scherz hätte sich dies vor 90 Jahren wohl kaum träumen lassen – sind rund 50 Exemplare des Buches in Deutschland online im Handel zu finden. Exemplare in jedwedem Zustand, das Original von 1875 genauso wie Reprints, von 3 bis 50 Euro reicht die Spanne der gewünschten Preise.

Nun ist das 19. Jahrhundert lang vorbei, als Lyrik – wie Norbert Hummelt im ARCHIV schrieb – Pop war und sich gar Heinrich von Stephan als Gelegenheitsdichter unter dem Pseudonym Kurt Rappolt der Verskunst hingab. Aber gerade in der Vorweihnachtszeit ist vielleicht doch ein besinnliches Gedicht, sei es von Heinrich Heine, von Nikolaus Lenau oder von Eichendorff, eine Wohltat in einer ruhigen Stunde.

Literatur:

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