Der Künstler als Flaneur. Die Flaschenpostsammlung Joachim Römers im Kunstkontext

Autor: Eva Apraku

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Sommerfrische und Raketen.

Die Insel Usedom im Spannungsfeld der Geschichte

Schneeweiße Strände, hochherrschaftliche Villen – und ein einstiges Speergebiet mit höchst problematischer Vergangenheit prägen die Ostseeinsel Usedom. Der Tourismus bringt jährlich Millionen Besucher hierher, wo schon im frühen 19. Jahrhundert der Badebetrieb begonnen hat. Usedom boomt. Über 2 000 Sonnenstunden, das zählt die Usedom Tourismus GmbH auf ihrer Website auf, habe es im vergangenen Jahr gegeben. Und 5,4 Prozent mehr Gästeankünfte als im Rekordjahr 2014, als bereits knapp fünf Millionen Gäste kamen. Die Urlauber lieben die ewig langen Strände mit dem feinen Sand, das gesunde Reizklima und natürlich das mondäne Ambiente, in dem man sich wenigstens für ein paar Tage wie einst der Adel oder privilegierte Mitglieder von Banken
und Großindustrie fühlen kann, die auf Usedom ihre Sommerfrische verbrachten.

Autor: Eva Apraku

Der Künstler als Flaneur.

Die Flaschenpostsammlung Joachim Römers im Kunstkontext

Ausgabe

Das Archiv 02/2016

Autor: Thomas Seibert

Seiten: 14-21

Joachim Römer lebt in Köln, und er hatte gar nicht vor, zum Finder, Leser, Sammler und Übermittler von Flaschenposten zu werden. Über Jahre hinweg lief er immer wieder durch die Straßen Kölns hinunter zum Rheinufer, wo er auf langen Spaziergängen Material für seine Kleinskulpturen wie für große Kunstinstallationen suchte – er tut dies übrigens auch heute noch und wird es weiter tun. „By accident“, so sagt er, gingen ihm dabei immer wieder dichte Behältnisse mit Botschaften an alle und niemanden ins Netz – als „beifang“, wie er schreibt: „meistens sind das beschriebene oder bemalte zettel in flaschen. es kann sich aber auch um verknotete, nicht aufgeblasene luftballons handeln mit ausgeschnittenen oder ausgerissenen teilen bedruckten papiers. manchmal finde ich auch schon die besondere form einer flasche hinreichend, um sie als flaschenpost vom rheinufer mitzunehmen. ausser flaschen verwenden menschen auch allerhand verschiedenartige behältnisse, um darin botschaften zu verschicken – zum beispiel kleine getrocknete kürbisse, filmdosen, gefrierbeutel oder tictacbehälter. es gibt auch absendende, die verzichten ganz auf schützende behälter & schicken ihre zettel zu schiffchen gefaltet auf die reise.“
Weil Römer den ungesuchten Beifang „by accident“ dann aber zur Sache selbst seiner Kunst gemacht hat und im Verlauf von (bis heute) 17 Jahren zum Wort-für-Wort-getreuen Archivar von weit über tausendundeiner solcher Botschaften wurde, können wir jetzt mit Sicherheit sagen, dass Flaschenposten von eine*r Bloom an (alle) Blooms verschickt werden, um den oder die Bloom zu finden. Sichtbar wird das daran, dass viele dieser Botschaften wahrhaftig nicht der Rede wert gewesen wären, hätte Römer sie nicht, was der Unterschied ums Ganze ist, uns allen ausdrücklich zum Lesen gegeben und uns damit eindringlich gezeigt, dass (fast) jede von ihnen das Vermögen in sich trägt, uns anzurühren.Wäre Römer nicht zu dem geworden, der eben nicht achtlos an ihnen vorübergegangen, sondern sie eigens in seine Acht und Obhut genommen hat. Wäre er nicht zum Botschafter von Botschaften geworden, von denen oft (wenn auch nicht immer, man prüfe das) wenig mehr zu sagen ist, als dass sie in einem dichten Behältnis verschlossen insWasser geworfen wurden, damit sie in ihrer Abdrift ins Ungewisse vielleicht die Empfänger*in finden, die oder der sich anderswie nicht finden ließ. Um den Punkt, auf den es hier ankommt, noch einmal hervorzuheben: damit sie in ihrer Abdrift ins Ungewisse vielleicht die Empfänger*in finden, die oder der sich von ihnen anrühren lässt.

(…)