Kleiner Abdruck – große Wirkung!

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Beschreibung

Kleiner Abdruck – große Wirkung!

Stempel nicht nur bürokratisch

Ausgabe

Das Archiv 3/2005

Autor: Florian Felix Weyh

Seiten: 12-19

„Es war kurz nach dem Krieg, die ersten richtigen Autos fuhren wieder, und sie waren noch einigermaßen selten. Wenn wir also auf der Straße standen, sämtliche Spiele schon durchgespielt hatten und nicht mehr wussten, was wir noch tun konnten, sagte einer: ‚Komm, wir gehen CH-stempeln.‘ Wir gingen also runter zur Aarauerstraße, warteten auf Autos und schauten ihnen nach, und wenn dann ein Auto ein CH-Schild hatte, riefen wir ‚CH‘ und stempelten es. Das ging so, dass wir den rechten Daumen mit der Zunge netzten, richtig nass musste er sein, mit dem Daumen die Handfläche der linken Hand befeuchteten und mit rechter Faust in die linke Faust schlugen und dazu eben riefen: ‚CH‘. Selbst ich als konsequenter und hoffnungslos unverbesserlicher Linkshänder schlug mit der rechten Faust in die feuchte linke Handfläche, gegen Abend konnte das sogar weh tun, harte Arbeit, ähnlich dem gelangweilten, aber offiziellen Ernst, mit dem das Postfräulein die Briefe stempelt, ähnlich in unseren Ohren fast auch das Geräusch“, so erzählt Peter Bichsel in Kolumnen, Kolumnen.“

Wer erinnert sich nicht an seine Kinderpost mit den offiziell aussehenden Stempeln? Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war dem Schweizer Schriftsteller solcher Luxus nicht vergönnt. Wie die meisten Kinder dieser Zeit mussten er und seine Freunde sich mit einem pantomimischen Ritual begnügen, das nachahmte, was sich in Wirklichkeit nicht erzielen ließ: Spuren und Geräusch eines echten Amtsvorgangs hervorzubringen.

(…)

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