„… as the public have shown their disregard and even distaste of beauty …“
Anmerkungen zur Akzeptanz von Postwertzeichen
Alljährlich im späten Herbst ist es wieder so weit: die Wahl zur „schönsten Briefmarke des Jahres“ steht an, und bald darauf wird eine der rund 60 deutschen Briefmarkenneuausgaben des Jahres von einer philatelistischen Zeitschrift unter allerlei medialem Getöse zur „Schönsten“ gekürt. Sehr viele Menschen beteiligen sich an diesen Wahlen, und Ähnliches findet auch in anderen Ländern inner- und außerhalb Europas statt. Ob ihrem Urteil nun eine gründliche ästhetische Reflexion zugrunde liegt oder ob es eine schnelle und impulsive Entscheidung „aus dem Bauch heraus“ war, spielt letztlich keine Rolle: Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass eine simple Quittung für eine bezahlte Postdienstleistung (die bei einer ungestempelten Briefmarke zudem gar nicht in Anspruch genommen wurde) überhaupt zum Gegenstand einer ästhetischen Betrachtung und eines ebensolchen Urteils wird.
Dass die gelungene Gestaltung der Briefmarke eine durchaus ernsthafte und eine breite Öffentlichkeit beschäftigende Herausforderung war und ist, scheint den Verantwortlichen bereits bei der Einführung der Briefmarken 1839/40 in Großbritannien bewusst gewesen zu sein. Rowland Hill, auf dessen Vorschlägen für eine grundlegende Reform des Postwesens die Einführung dieser neuen, vorauszubezahlenden und selbstklebenden Postquittungen gründete, sowie das verantwortliche Schatzamt hatten sich wohl auch aus diesem Grund im September 1839 entschlossen, einen öffentlichen Wettbewerb zur Gestaltung der neuen Postwertzeichen auszuschreiben. Ein stattliches Preisgeld von 200 Pfund für den Sieger wurde ausgelobt, und das Echo auf diese so genannte „Treasury Competition“ übertraf alle Erwartungen. Über 2600 Entwürfe und Designstudien aus allen Kreisen der Bevölkerung wurden eingereicht, und auch wenn keiner der eingereichten Vorschläge schlussendlich realisiert wurde, so belegt die überaus rege Beteiligung an dem Wettbewerb doch eindrucksvoll das starke öffentliche Interesse am Gegenstand.
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