Aus-Lese mit Schere und Skalpell. Der Zeitungsausschnitt als Kulturgut

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Beschreibung

Aus-Lese mit Schere und Skalpell

Der Zeitungsausschnitt als Kulturgut

Ausgabe

Das Archiv 3/2010

Autor: Eckart Klaus Roloff

Seiten: 26-31

Es ging nicht ohne, ausgeschlossen. Die Kindheitserinnerung daran ist ganz deutlich. Wenn wir daheim zusammen bei Kaffee und Kuchen saßen, dann lag da eine Schere stets griffbereit. Sobald der Kuchen weniger geworden und die Zeit zum Zeitunglesen gekommen war, kam sie in Bewegung. Dann las man sich vor, sprach über diesen und jenen Artikel und bat − wenn ein anderer die Schere hatte − „schneid mir den mal aus“. Da kam rasch etwas zusammen, gedacht für Schulaufsätze, fürs Einlegen in Bücher, die dadurch angereichert und fortgeschrieben wurden, für einen Brief an Verwandte und Freunde, insonderheit an solche, die selbst auch gern zuschnitten und dergleichen zuschickten.

Das galt nach unseren Maßstäben nie als Verletzung oder Zerstörung, sondern als gezielte und gescheite Aus-Lese, als Mitdenken zugunsten derer, für die man Ausschneidenswertes entdeckt hatte. Das war kein finaler Schnitt, sondern er sorgte für Weiterleben. Auch in eigenen Sammlungen und kleinen Archiven, als Fundament dessen, was heute Datenbank heißt. Es war ebenso eine Anerkennung derer, die etwas zu Papier gebracht hatten, das würdig des Bewahrens und Weitergebens war. Und früh wurde ein Prinzip des Sammelns vertraut: Quelle und Datum notieren. Das gilt bis heute. Nüchtern gesagt ist dieses Handwerk eine Kulturtechnik wie das Lesen und Schreiben, das Jagen und Kochen, das Bauen und Pflanzen. Und das alles ist etwas so Grundlegendes, dass es ein Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik gibt, als Teil der Berliner Humboldt-Universität. Freilich hat sich dieses noch nicht näher mit dem nur auf den ersten Blick banalen Ausschneiden befasst. Vielleicht gibt das einen Impuls: dass sich der Schriftsteller Cees Nooteboom einmal als „Gärtner der Zeitungsausschnitte“ sah.

(…)

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