…—… SOS

Ein Signal wird 100

Ausgabe

Das Archiv 4/2006

Autor: Joachim Kundler

Seiten: 86-93

Wer dringend Hilfe braucht, dem fallen drei Buchstaben ein: SOS. Dieses Signal ist das Synonym für den Notruf schlechthin geworden; fast überall bekannt und weltweit verbreitet. Natürlich haben Menschen immer schon nach Möglichkeiten gesucht, Mitmenschen auf eine große Gefahr und nahende Katastrophe hinzuweisen. Rufen, Lärmen, Glocken, Sirenen oder optische Signale waren dafür Mittel, die unproblematisch angewendet werden konnten und auch verstanden wurden. An Land. Problematisch wurde die Sache, wenn sich ein Notfall auf See, auf dem Meer ereignete. Befand sich ein verunglücktes Schiff in Küstennähe, konnte man auf die althergebrachten Methoden zurückgreifen. Geschah der Notfall aber auf hoher See und weit ab der Küste einer bewohnten Gegend, was dann?
1897 hatte der Italiener Guglielmo Marconi in England die erstenAnlagen für drahtlose Telegrafie (Funkentelegrafie), deren Miterfinder er war, zum Einsatz gebracht. Der baldige Erfolg resultierte aus dem Bau von Küstenstationen und Stationen an Bord von Schiffen, die Marconi durch eigenes Personal betreiben ließ. Die Bedeutung der Erfindung der drahtlosen Telegrafie für die Schifffahrt war enorm, nicht zuletzt deshalb, weil das System die Möglichkeit bot, auf Gefahren aufmerksam zu machen, ein Unglück zu verhindern oder im Notfall Rettung zu rufen. Die Londoner Schiffsversicherung Lloyds reagiert auf die neue Technik sehr schnell. Lloyds veranlasste, dass die bei ihr versicherten Schiffe mit Stationen der drahtlosen Telegrafie ausgerüstet wurden; dies galt besonders für die neuen Überseepassagierschiffe, die eine Größe von über 10000 Bruttoregistertonnen erreichten. Reedereien schlossen mit Marconi entsprechende Nutzungsverträge, die allerdings aufgrund ihrer Bestimmung, dass Sende- und Empfangsstationen unterschiedlicher Systeme nicht in Verbindung treten durften, auf internationalen Widerstand trafen. Denn inzwischen war die Entwicklung funkentelegrafischer Systeme auch anderswo vorangeschritten und die Konkurrenten vermuteten, dass die Marconi-Gesellschaft versuche, ein internationales Monopol aufzubauen.

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