Eine kurze Kulturgeschichte des Telefonhäuschens

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Vom Pavillon zum Basistelefon

Eine kurze Kulturgeschichte des Telefonhäuschens

Ausgabe

Das Archiv 1/2007

Autor: Bernd Flessner

Seiten: 12-19

Bereits in der ersten Folge der Fernsehserie Ein Herz und eine Seele mit dem Titel Das Hähnchen, gesendet am 15. Januar 1973, wird dem Zuschauer außer der engen Wohnung des Familie Tetzlaff noch ein weiteres „Zimmer“ präsentiert, das unmittelbar vor dem Haus steht: das Telefonhäuschen. Und wie die eigenen vier Wände wird auch diese Enklave gegen Eindringlinge, also andere Telefonierwillige, entsprechend verteidigt. Nicht nur einmal behauptet Alfred Tetzlaff, das Telefonhäuschen sei gewissermaßen sein Eigentum. Verstärkt wird der Anspruch der Tetzlaffs noch durch die Tatsache, dass sie in diesem Telefonhäuschen auch angerufen werden können. Auch in anderen Folgen, zum Beispiel in Urlaubsvorbereitung, wird diese Möglichkeit intensiv wahrgenommen.
Die regelmäßig wiederholte Kultserie nutzt dramaturgisch gleich zwei wesentliche Funktionen des Telefonhäuschens: Einerseits bietet es Menschen, die keinen eigenen Anschluss besitzen, die Möglichkeit zu telefonieren, andererseits stellt es tendenziell jene Privatsphäre her, die man vom häuslichen Telefonat her gewohnt ist. Denn es gehörte lange Zeit zu den Rahmenbedingungen der Telefonkultur, ungestört und allein mit dem nur hörbaren Partner zu sein. Erst die Entwicklung des mobilen Telefonierens hat diesen Rahmen aufgebrochen und verändert, wenn auch nicht komplett gesprengt. Somit kann man das Telefonhäuschen als externes Zimmer ansehen, das zwar prinzipiell öffentlich ist, im Moment des Betretens jedoch schlagartig privatisiert und bedingt der eigenen Wohnung zugeordnet wird. Durch das Schließen der Tür wird der Mietvertrag symbolisch unterschrieben und von später kommenden Anwärtern im Allgemeinen auch anerkannt. Im Regelfall warten sie geduldig, bis der Vertrag durch das Verlassen des Telefonhäuschens abrupt gekündigt wird und der Nächste unterzeichnen kann.

(…)