„Is des wohr? – Wohr is!“ Das Haberfeldtreiben als Folklore und Rügegericht

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Beschreibung

„Is des wohr? – Wohr is!“

Das Haberfeldtreiben als Folklore und Rügegericht

Ausgabe

Das Archiv 3/2013

Autor: Sandra Bieler

Seiten: 108-113

„Wo Aufrichtigkeit und Wahrheit hinkt,
wo Lug und Trug zum Himmel stinkt
und wo’s der Brauch ist, dass man Worte bricht,
do kommt das Haberfeldgericht.
[…] Da nenn ma beim Nam de Übeltäter
Für uns hand solche Bauernverräter
Is des wohr? – Wohr is!
Nachan treibt’s eahna g’scheit!“

Mit rußgeschwärztem Gesicht skandiert der Haberfeldmeister diese Verse von der Tribüne. Als die Süddeutsche Zeitung im Juni 2009 über die Proteste der Milchbauern in München berichtete, die ihre abendliche Kundgebung als Haberfeldtreiben abhielten, mochte dies einigermaßen ungewöhnlich erscheinen. Der dörfliche Rügebrauch aus dem bayrischen Oberland war zuletzt in den 1890ern abgehalten und nach wiederholten Unruhen von der Polizei aufgelöst worden. Nun standen „Genhofer“ und seine „Maid Aigner“ in den Spottversen vor dem bäuerlichen Gericht. Die Gemeinde Ruhstorf an der Rott hatte gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft 2008 das Treiben in moderner Version wiederbelebt. Aufgrund des stark gesunkenen Milchpreises versammelten sich über 150 Bauern vor dem Wohnhaus des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, um dessen Politik anzuprangern. Trotz befürchteter Ausschreitungen avancierte das Haberfeldtreiben als Demonstrationsform zum festen Repertoire der folgenden Proteste gegen den Agrarlobbyismus in Bayern und Österreich. Auf der Großdemonstration 2009 in München unterstützte der Liedermacher Hanse Schoierer die Aufständler mit seinem Schlager „Haberfeldtreiber“, dessen Text nun die schwierige Situation der Milchbauern beschrieb. Für ihn, so Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, sei dies keine akzeptable Form des Protests: „Wenn man sich mit der Geschichte des Haberfeldtreibens beschäftigt, so war das nie edles Brauchtum, sondern immer schon als hinterhältig und gemein verschrien.“ Es sei im Zuge des Haberfeldtreibens häufig zu kriminellen Handlungen gekommen, weshalb es geahndet und verboten wurde.

(…)

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