Kontrolle und Bespitzelung in der DDR. Zeitzeugen erinnern sich

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Beschreibung

Kontrolle und Bespitzelung in der DDR

Zeitzeugen erinnern sich

Ausgabe

Das Archiv 3/2013

Autor: Jürgen Bräunlein

Seiten: 86-89

„Je besser wir Diktatur begreifen, umso besser können wir Demokratie gestalten“, wird der Bundesbeauftragte für die StasiUnterlagen, Roland Jahn, auf der Internetseite der Behörde zitiert. Die Stasi, darin sind sich Historiker heute einig, war weitaus mehr als ein gewöhnlicher Geheimdienst. Als „Schild und Schwert der SED“ hatte sie die Aufgabe, die Macht der herrschenden Partei zu erhalten und zu sichern. Sie verfügte über eigene Untersuchungshaftanstalten, einen Ermittlungsapparat mit Vollzugsangestellten sowie über Richter und Staatsanwälte, die ihr zuarbeiteten. In den 1980erJahren waren über 100 000 Hauptamtliche und rund 600 000 inoffizielle Mitarbeiter für die Stasi tätig. Angelegt wurden 40 Millionen Karteikarten und Akten von zusammen 180 000 Metern Länge. In der Bevölkerung hatte die Stasi verschiedene, oft überraschend harmlos klingende Namen: „Horch und Guck“, „Horch und Greif“, „die Jungs von der unsichtbaren Front“ oder einfach nur „die Firma“. Die Behörde für Staatssicherheit in der DDR – zuvor dem Ministerium des Inneren als Hauptabteilung „Staatssicherheit“ unterstellt − wurde 1950 in ein selbstständiges Ministerium umgewandelt, und damit begann offiziell die Geschichte der Überwachung, Kontrolle, Beeinflussung und Unterwanderung der DDR-Bevölkerung durch die Stasi.

Viele von denen, die unter ihr gelitten haben, hatten den Mut, ihr Schicksal publik zu machen. Sie stellen sich als Zeitzeugen im Internet und für Veranstaltungen zur Verfügung und berichten an den Berliner Erinnerungsorten über ihre leidvollen Er fahrungen. Hartmut Richter, aufgewachsen in Werder bei Potsdam und 1966 aus der DDR geflohen, ist einer von ihnen. Bereits als Jugendlicher geriet er in den Fokus der Stasi. Dass er sich im Gegensatz zu seinen Mitschülern weigerte, in die FDJ (Freie Deutsche Jugend) einzutreten, brachte zunächst seinem Lehrer Ärger ein. In der Grundschule von seinen Mitschülern zum „Gruppenratsvorsitzenden“ gewählt, was der Funktion eines Klassensprechers entsprach, hatte Hartmut Richter eine exponierte Stellung, die für die Stasi besonders interessant war. So wurde er dazu angehalten, dem Pionierleiter zu melden, wenn Mitschüler Westfernsehen schauten. Das wurde jedoch nicht als Denunziation verstanden, wie sich Hartmut Richter heute erinnert, sondern als ehrenwerte Aufgabe. Schließlich ging es darum, Mitschüler „vor dem Bösen zu bewahren“ und zu verhindern, dass „der Klassenfeind anfängt, von den Köpfen Besitz zu ergreifen“. Der damals 12Jährige weigerte sich, viele andere nicht. Rund 15 000 Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 25 waren etwa Ende der 1980er-Jahre als inoffizielle Mitarbeiter für die Stasi tätig.

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