Beschreibung
Philatelie als Kulturwissenschaft?
Zur Geschichte eines unvollendeten Projekts
Entstehung und Entwicklung akademischer Disziplinen sind an verschiedene Voraussetzungen gebunden, wie Ludwik Fleck, Gaston Bachelard, Thomas S. Kuhn und andere Wissenschaftshistoriker gezeigt haben. Die gesellschaftliche Bedeutung der Gegenstände steht dabei an vorderer Stelle. Briefmarken haben einen solchen Status. Warum aber musste die Philatelie, die sich seit über 100 Jahren mit der Dokumentation, der Geschichte und den Darstellungsformen von Postwertzeichen beschäftigt, vor den Toren der Universität bleiben? Darin unterscheidet sie sich von der Numismatik, der Heraldik, der Papyrologie und anderen gegenstandsbezogenen Disziplinen, die in den Rang historischer Hilfswissenschaften erhoben wurden und an Universitäten gelehrt werden.
Eine Ursache für die akademische Ausgrenzung der Philatelie dürfte sein, dass ihr Ursprung in der Moderne liegt. Es fehlt eine antike oder mittelalterliche Vorgeschichte, die den Geisteswissenschaften seit dem 19. Jahrhundert ihre Legitimation verlieh. Vielleicht aber waren die Objekte auch zu pragmatisch oder unscheinbar. Darüber kann man nur spekulieren. Feststellen lässt sich dagegen, dass sich auch die Gründerväter der neueren Kulturwissenschaft, nämlich Walter Benjamin und Aby Warburg, mit Briefmarken beschäftigt haben, eine vertiefte Auseinandersetzung aber nur punktuell betreiben konnten, sodass die Arbeiten vergessen wurden. Da sie seit einigen Jahren rekonstruiert werden, könnten von hier Impulse für die Etablierung der Philatelie als Kulturwissenschaft ausgehen.
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