Mona Lisa, Botticelli & Co.

Post, Kunst, Werbung

Ausgabe

Das Archiv 2/2015

Autor: Jürgen Bräunlein

Seiten: 22-27

Da staunten manche nicht schlecht, als sie vor Jahren von der Deutschen Post Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ überreicht bekamen. Nicht das Original, versteht sich, sondern eine farbige Abbildung auf dem Titelcover eines Faltblatts, das für die Anschaffung eines neuen Hausbriefkastens warb. Bei dem neu eingeführten Hausbriefkasten nach DIN 32617, so erläuterte der Text, sind Postsendungen nicht nur „vor Langfingern gut geschützt“, es passe auch „reichlich Post hinein“ und „ganz bequem selbst ein DIN-C4-Umschlag“.Wer möchte schon Botticellis Venus, einer nackten Schönheit, keusch umweht von langen blonden Haaren und schwebend auf einer Muschelschale, ohne Not einen Knick zufügen?
Die um 1480 gemalte Ikone der italienischen Renaissance ist eines der bekanntesten und beliebtesten Kunstwerke und wurde auch deshalb schon vielfach für Werbekampagnen eingesetzt: Die Venus warb bereits für Rasierapparate, Mineralwasser, Kreditkarten und in diesem Fall eben für Hausbriefkästen. Die positiven Aspekte, die mit dem Meisterwerk verbunden sind, sollen auf die Ware abfärben. Der Rasierapparat verspricht göttlich glatte Haut, wie sie auch Botticellis idealisierte Frauenfigur aufweist, der Hausbriefkasten nach DIN 32617 garantiert, dass deren Schönheit intakt bleibt, eben ganz ohne hässlichen Knick. Die gewitzte Botticelli-Werbung der Deutschen Post transportiert dabei Werte wie Verlässlichkeit und Sorgfalt (mit den ihr anvertrauten Postsendungen) – Werte, die sich nur schwer abbilden lassen.

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