Zur Geschichte der Frakturschrift

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Beschreibung

In deutschen Lettern

Zur Geschichte der Frakturschrift

Ausgabe

Das Archiv 1/2007

Autor: Harry D. Schurdel

Seiten: 20-27

Es gibt nur wenig andere Kulturträger, die als so typisch deutsch gelten wie die Schrift mit den “gebrochenen“ Buchstaben – die Fraktur. Obwohl ihre Lettern auch in anderen europäischen Ländern anzutreffen waren, ist sie doch nirgends so lange in Gebrauch gewesen wie im deutschen Sprachraum. Zu Unrecht allerdings wird die Schrift mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Es waren nämlich die Nationalsozialisten, die die Frakturschrift als „Judenlettern“ bezeichneten, und die lateinische Antiqua-Druckschrift und die lateinische Schreibschrift fortan als „Deutsche Normalschrift“. Doch diese Tatsache ist einer weiten Öffentlichkeit verborgen geblieben, und nicht zuletzt Unwissenheit führte zu dem größten deutschen Presseskandal des 20. Jahrhunderts. Als am 22. April 1983 das Magazin Stern die „Hitlertagebücher“ präsentierte, prangte auf dem dunkelblauen Einband in goldenen Frakturlettern das – angebliche – Monogramm Hitlers: „AH“. Niemand in der Redaktion kannte augenscheinlich die deutsche Schrift. Denn der erste Großbuchstabe war kein „A“, sondern ein „F“! Der Schöpfer des Machwerks, der Fälscher Konrad Kujau, hätte also schnell enttarnt werden können. Und dem Stern wäre Hohn und Spott des In- und Auslandes erspart geblieben, von den finanziellen Verlusten ganz zu schweigen.

Der Stammbaum der deutschen Schrift führt von der Gotischen Minuskel und der Textura zur Schwabacher und Fraktura (lat. „Bruch“). Die Gotische Minuskel (Minuskel = Kleinbuchstabe) genannte Schriftart entstand im 13. und 14. Jahrhundert aus der Karolingischen Minuskel, entwickelt zwischen 800 und 900 gleichzeitig in den kaiserlichen Kanzleien Kaiser Karls des Großen und den Klosterschreibschulen. Die Textura (lat. textilis = gewebt), die vorherrschende Schrift des 15. Jahrhunderts, ist eine gotische Minuskelschrift mit doppelt gebrochenen Schäften und einfach gebrochenen Bögen. Die Metalllettern der berühmten 42-zeiligen Gutenberg-Bibel von 1455, dem ersten Druckwerk des Abendlandes, beruhen auf deren hohen, schmalen Schrifttypen. Ein gutes halbes Jahrhundert später gab die Reformation dann den entscheidenden Anstoß zur Verbreitung der Schrift. Die Schwabacher Lettern, benannt nach der mittelalterlichen jüdischen Ghettosiedlung nahe Nürnberg, bildeten von etwa 1480 bis 1530 die führende Schrift für deutschsprachige Drucke. Ihre Buchstabenform macht einen wesentlichen Teil der Schönheit mittelalterlicher Handschriften und Bücher aus. Als Martin Luther mit seiner Bibelübersetzung von 1522 entscheidend zur Entstehung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache beitrug, gab die Schwabacher Schrift dem Deutschen seine buchstäbliche Gestalt. Zu ihren ersten und bekanntesten Benutzern zählte Albrecht Dürer (1471–1528).

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