Die Psychotechnik bei der Reichspost

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„Physische Energie sparen = Geld sparen“

Die Psychotechnik bei der Reichspost

Ausgabe

DAS ARCHIV 3/2017

Autor: Norbert Hummelt

Seiten: 16-23

Die Optimierung des Lebens, beruflich und privat, oft mittels digitaler Erfassung oder digitalisierter Prozesse, drängt das ganz normale Leben seit einigen Jahren in die Verlierer-Ecke. Zurückgelegte Schritte, eingenommene Kalorien, Energie- und Tagesbilanz sind nur einige Parameter des optimierten Lebens. In der „Psychotechnik“ hat die „Optimierung von Mittel und Zweck“ durch psychologische Konzepte einen historischen Vorläufer, der einst auch vor der Post nicht haltgemacht hat.
„Was ist der Mensch? Die Nacht vielleicht geschlafen, doch vom Rasieren wieder schon so müd, noch eh ihn Post und Telefone trafen, ist die Substanz schon leer und ausgeglüht“, seufzte Gottfried Benn 1954 im Gedicht Melancholie. Damit der Mensch von Post und Telefonen aber überhaupt erreicht werden konnte, musste es andere Menschen geben, die hellwach und konzentriert und möglichst nicht abgelenkt von schwierigen Seelenlagen ihren Dienst verrichteten. Wie man zu solchen gut brauchbaren Menschen kam, wie man sie erkennen und zweckmäßig einsetzen konnte, damit war speziell in den 1920er-Jahren eine angewandte Wissenschaft befasst: die Psychotechnik.

Stöbert man in den Archiven des im Oktober 1924 als Beilage der Deutschen Verkehrs-Zeitung gegründeten Blattes Verkehrs- und Betriebswissenschaft in Post und Telegraphie, so stößt man immer wieder auf diesen Begriff, der heute erklärungsbedürftig geworden ist. „Psychotechnik“ bezeichnete die Anwendung psychologischer Konzepte zur Optimierung von „Mittel und Zweck“ in allen Lebensbereichen und „bildete einen Teilbereich der Angewandten Psychologie“ – so steht es bei Wikipedia. Ein schillernder Begriff, bei dem sich schnell ein gewisses Unwohlsein einstellen kann, spannt er doch etwas so Labiles, Flüchtiges und Angreifbares wie die menschliche Seele mit ihrem mechanisch kalten Widerpart zusammen. Dabei ist der zweite Teil des Kompositums der dominante: Es ist nicht etwa eine Technik gemeint, mit deren Hilfe sich die Seele orientieren kann, sondern eine Technik, die dazu geeignet ist, der Seele Herr zu werden. Die Seele steht hier für alles, was von Seiten des Menschen nicht zur Sache gehört, der er in einem Arbeitsverhältnis dienen soll, und dieses Störende und nicht Berechenbare soll nun technisch erforscht und bearbeitet werden.

(…)