Eine kleine Kulturgeschichte des Korrigierens

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Eine kleine Kulturgeschichte des Korrigierens

Ausgabe

Das Archiv 2/2012

Autor: Jürgen Bräunlein

Seiten: 30-33

Vor der Einführung von Schreibmaschine und Computer sahen korrigierte Manuskriptseiten mitunter noch aus wie kleine Schlachtfelder: voller schwungvoller Durchstreichungen, brachialer Tilgungen und krakeliger Randbemerkungen. Einfügungen waren über das ganze Blatt verteilt, manchmal wurde das Papier sogar zerschnitten und neu zusammengeklebt, um Textpassagen in eine andere Reihenfolge zu bringen. Vor allem Lyriker und Redenschreiber wussten sich oft nicht besser zu helfen. Für Historiker heute ist das Studium solcher alten Manuskripte, sofern sie aufbewahrt wurden, eine reizvolle und erhellende Angelegenheit. Anhand des genetischen Verfallsprozesses der verwendeten Tinte lässt sich etwa die zeitliche Abfolge der einzelnen Korrekturen rekonstruieren. Besonders in der Editionsphilologie – man denke nur an die überlieferten Originalmanuskripte von Goethe und Schiller – ist das von großer Bedeutung.
Mit der Einführung des Computers ist die Zahl der Textkorrekturen deutlich nach oben gegangen. Wo früher dreimal geändert wurde, kann es heute 20-mal oder noch öfter sein − und all das mit minimalem Aufwand. Vorbei die Zeiten, in denen Sekretärinnen Schriftsätze nach jeder Korrektur vollständig abtippen mussten. Machten sie dabei einen Fehler und verwendeten zudem sieben Durchschläge − in Anwaltskanzleien keine Seltenheit – hatten sie hinterher jede Seite einzeln zu radieren.

(…)